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Der Kampf des Jahres 1914 wurde den Massen, wahrhaftiger Gott, nicht aufgezwungen, sondern von dem gesamten Volke selbst begehrt.
Man wollte einer allgemeinen Unsicherheit endlich ein Ende bereiten. Nur so kann man auch verstehen, daß zu diesem schwersten Ringen sich über zwei Millionen deutscher Männer und Knaben freiwillig zur Fahne stellten, bereit, sie zu schirmen mit dem letzten Tropfen Blutes.
Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung aus den ärgerlichen Empfindungen der Jugend vor. Ich schäme mich auch heute nicht, es zu sagen, daß ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, daß er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.
Ein Freiheitskampf war angebrochen, wie die Erde noch keinen gewaltigeren bisher gesehen; denn sowie das Verhängnis seinen Lauf auch nur begonnen hatte, dämmerte auch schon den breitesten Massen die Überzeugung auf, daß es sich dieses Mal nicht um Serbiens oder auch Österreichs Schicksal handelte, sondern um Sein oder Nichtsein der deutschen Nation.
Zum letzten Male auf viele Jahre war das Volk hellseherisch über seine eigene Zukunft geworden. So kam denn auch gleich zu Beginn des ungeheueren Ringens in den Rausch einer überschwenglichen Begeisterung der nötige ernste Unterton: denn diese Erkenntnis allein ließ die nationale Erhebung mehr werden als ein bloßes Strohfeuer. Der Ernst aber war nur zu sehr erforderlich; machte man sich doch damals allgemein auch nicht die geringste Vorstellung von der möglichen Länge und Dauer des nun beginnenden Kampfes. Man träumte, den Winter wieder zu Hause zu sein, um dann in erneuter friedlicher Arbeit fortzufahren.
Was der Mensch will, das hofft und glaubt er. Die überwältigende Mehrheit der Nation war des ewigen unsicheren Zustandes schon längst überdrüssig; so war es auch nur zu verständlich, daß man an eine friedliche Beilegung des österreichisch-serbischen Konfliktes gar nicht mehr glaubte, die endgültige Auseinandersetzung aber erhoffte. Zu diesen Millionen gehörte auch ich.
Kaum war die Kunde des Attentates in München bekanntgeworden, so zuckten mir auch sofort zwei Gedanken durch den Kopf: erstens, daß der Krieg endlich unvermeidlich sein würde, weiter aber, daß nun der habsburgische Staat gezwungen sei, den Bund auch zu halten; denn was ich immer am meisten gefürchtet hatte, war die Möglichkeit, daß Deutschland selber eines Tages, vielleicht gerade infolge dieses Bündnisses, in einen Konflikt geraten könnte, ohne daß aber Österreich die direkte Veranlassung hierzu gegeben hätte, und so der österreichische Staat aus innerpolitischen Gründen nicht die Kraft des Entschlusses aufbringen würde, sich hinter den Bundesgenossen zu stellen. Die slawische Majorität des Reiches würde eine solche selbst gefaßte Absicht sofort zu sabotieren begonnen haben und hätte immer noch lieber den ganzen Staat in Trümmer geschlagen, als dem Bundesgenossen die geforderte Hilfe gewährt. Diese Gefahr war nun aber beseitigt. Der alte Staat mußte fechten, man mochte wollen oder nicht.
Meine eigene Stellung zum Konflikt war mir ebenfalls sehr einfach und klar; für mich stritt nicht Österreich für irgendeine serbische Genugtuung, sondern Deutschland um seinen Bestand, die deutsche Nation um Sein oder Nichtsein, um Freiheit und Zukunft. Bismarcks Werk mußte sich nun schlagen; was die Väter einst mit ihrem Heldenblute in den Schlachten von Weißenburg bis Sedan und Paris erstritten hatten, mußte nun das junge Deutschland sich aufs neue verdienen. Wenn dieser Kampf aber siegreich bestanden wurde, dann war unser Volk in den Kreis der großen Nationen auch wieder an äußerer Macht eingetreten, dann erst wieder konnte das Deutsche Reich als ein mächtiger Hort des Friedens sich bewähren, ohne seinen Kindern das tägliche Brot um des lieben Friedens willen kürzen zu müssen.
Ich hatte einst als Junge und junger Mensch so oft den Wunsch gehabt, doch wenigstens einmal auch durch Taten bezeugen zu können, daß mir die nationale Begeisterung kein leerer Wahn sei. Mir kam es oft fast als Sünde vor, Hurra zu schreien, ohne vielleicht auch nur das innere Recht hierzu zu besitzen; denn wer durfte dieses Wort gebrauchen, ohne es einmal dort erprobt zu haben, wo alle Spielerei zu Ende ist und die unerbittliche Hand der Schicksalsgöttin Völker und Menschen zu wägen beginnt auf Wahrheit und Bestand ihrer Gesinnung? So quoll mir, wie Millionen anderen, denn auch das Herz über vor stolzem Glück, mich nun endlich von dieser lähmenden Empfindung erlösen zu können. Ich hatte so oft „Deutschland über alles“ gesungen und aus voller Kehle Heil gerufen, daß es mir fast wie eine nachträglich gewährte Gnade erschien, nun im Gottesgericht des ewigen Richters als Zeuge antreten zu dürfen zur Bekundung der Wahrhaftigkeit dieser Gesinnung. Denn es stand bei mir von der ersten Stunde an fest, daß ich im Falle eines Krieges — der mir unausbleiblich schien — so oder so die Bücher sofort verlassen würde. Ebenso aber wußte ich auch, daß mein Platz dann dort sein mußte, wo mich die innere Stimme nun einmal hinwies.
Aus politischen Gründen hatte ich Österreich in erster Linie verlassen; was war aber selbstverständlicher, als daß ich nun, da der Kampf begann, dieser Gesinnung erst recht Rechnung tragen mußte! Ich wollte nicht für den habsburgischen Staat fechten, war aber bereit, für mein Volk und das dieses verkörpernde Reich jederzeit zu sterben.
Am 3. August reichte ich ein Immediatgesuch an Seine Majestät König Ludwig III. ein mit der Bitte, in ein bayerisches Regiment eintreten zu dürfen. Die Kabinettskanzlei hatte in diesen Tagen sicherlich nicht wenig zu tun; um so größer war meine Freude, als ich schon am Tage darauf die Erledigung meines Ansuchens erhielt. Als ich mit zitternden Händen das Schreiben geöffnet hatte und die Genehmigung meiner Bitte mit der Aufforderung las, mich bei einem bayerischen Regiment zu melden, kannte Jubel und Dankbarkeit keine Grenzen. Wenige Tage später trug ich dann den Rock, den ich erst nach nahezu sechs Jahren wieder ausziehen sollte.
Quelle: Adolf Hitler, Mein Kampf. München, 1939, S. 176–79.