Kurzbeschreibung

Nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze im Jahr 1935 nahmen die Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zu. Juden durften nicht mehr Mitglied in Berufsverbänden sein und durften keine Menschen „arischer Abstammung“ heiraten. Vielen wurde die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, und ihr rechtlicher Schutz wurde aufgehoben. Die bürgerlichen Freiheiten, die während der Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert errungen worden waren, verschwanden schnell. Dieses Dokument, ein Beschwerdebrief des hessischen NSDAP-Kreisleiters an den Frankfurter Oberbürgermeister, deutet darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung begann, die Propaganda der Nazis über die Juden als physische Verunreinigung zu akzeptieren. Der Verfasser berichtet, dass einige Bürger in Niederrad unangenehm lange Wege zu weit entfernten Badeplätzen zurücklegten, weil die in ihrer Nähe gelegenen „restlos von Juden benutzt“ wurden.

Die Einschränkungen, welche Einrichtungen Juden nutzen durften, wurden auf lokaler Ebene geregelt. Viele Städte und Gemeinden erließen nach 1935 Verbote für Juden in öffentlichen Einrichtungen. Die Frankfurter Verwaltung entsprach schließlich den Forderungen der Beschwerdeführer und erließ eine Verordnung, die Juden die Benutzung öffentlicher Schwimmbäder und Badeplätze untersagte.

Schreiben des Kreisleiters an den Frankfurter Oberbürgermeister über das „Judenbad“ in Niederrad (27. Juli 1938)

Quelle

An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M.

Betr.: Judenbad in Niederrad.

Die Beschwerden aus der Bevölkerung über die Benutzung des Strandbades Niederrad durch Juden nehmen Tag für Tag zu. Insbesondere führen die Bewohner von Niederrad und der in der Nähe des Bades gelegenen Stadtteile Klage darüber, dass sie gezwungen sind einen verhältnismässig weiten Weg zurückzulegen wenn sie baden wollen, da das in ihrer Nähe befindliche Bad restlos von Juden benutzt wird. Auch sind an heissen Tagen die Strassenbahnen nach und von Niederrad derart von Juden angefüllt, dass es oft zu unliebsamen Zwischenfällen kommt.

Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die hier vorhandenen Bäder für die deutsche Bevölkerung nicht vollkommen ausreichen kann es nicht länger verantwortet werden, den Juden ein Bad zu überlassen.

Ich bitte Sie daher, möglichst umgehend das Strandbad Niederrad für Juden zu verbieten.

Von Ihren Massnahmen wollen Sie mir bitte Kenntnis geben

Heil Hitler

Quelle: Stadtarchiv Frankfurt a.M., Mag.-Akte 7441/7442/7451, abgedruckt in Wolfgang Wippermann, Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit, Band I., Die nationalsozialistische Judenverfolgung: Darstellung, Dokumente und didaktische Hinweise. Frankfurt am Main: Verlag Dr. Waldemar Kramer, 1986, S. 185.

Adriana Altaras, „Da gab es plötzlich so viel Platz in den Schwimmbädern“: Eine jüdische Deutsche und ihre Schwiegermutter (2011), veröffentlicht in German History Intersections, https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:document-244

Schreiben des Kreisleiters an den Frankfurter Oberbürgermeister über das „Judenbad“ in Niederrad (27. Juli 1938), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5196> [04.11.2024].