Quelle
Berlin, 4. Mai 1948
Folgende Gedanken müßten beachtet werden:
1. Den antifaschistischen Kämpfern und politischen Opfern gegenüber, die heute auch im Mittelpunkt des Kampfes zur Demokratisierung des Landes stehen, hat der Staat bestimmte Verpflichtungen. Dazu gehören die Wiederherstellung der Gesundheit, die Versorgung mit den notwendigsten Einrichtungsgegenständen, Bekleidung etc., die Sicherung einer Erziehung der Kinder dieser Opfer, um Lücken, die durch die nazistische Unterdrückung entstanden sind, zu überwinden und eine bestimmte Altersversorgung.
Das muß meines Erachtens als eine Ehrenpflicht des demokratischen Staates betrachtet werden. Eine Aufrechnung des Lohnausfalles durch die Haft, wie sie im Westen vorgeschlagen wird, oder Ersatz des tatsächlich durch die lange Haft, durch die Zerstörung oder den Raub des Eigentums verursachten Schadens kann nicht in Frage kommen.
2. Was die sogenannten Rasseverfolgten betrifft, so spielt hier die nationale Frage eine Rolle. Die jüdische Bevölkerung wurde ausgeplündert und fast vernichtet, aus sogenannten rassepolitischen Gründen. Es handelt sich also um die Vernichtung einer nationalen bzw. religiösen Minderheit, die von dem deutschen Volke geduldet worden ist. In diesem Falle kann sich auch unsere Zone bestimmten Maßnahmen zur teilweisen materiellen Wiedergutmachung des angerichteten Schadens nicht entziehen. Dabei kann es sich jedoch nicht darum handeln, nun den jüdischen Großkapitalisten ihre früheren Vermögen, Betriebe oder Banken zurückzugeben. Was zurückgegeben werden muß, ist: das Eigentum der jüdischen Gemeinden, das mobile und immobile Eigentum von jüdischen Privatpersonen, soweit sie in der Zone leben, unter Ausschluß aller derjenigen Dinge, die in Staatshand übergegangen sind. Ferner ist es notwendig, jüdische Vermögenswerte, die sich heute noch unrechtmäßig im Besitze von Nazis oder anderen reaktionären Elementen befinden, zu registrieren und unter treuhänderische Verwaltung zu stellen. Alle diese Fragen sind jedoch in dem Gesetzesentwurf aufgerollt.
Quelle: SAPMO-BArch, DY 30 IV 2/2.027/31; abgedruckt in Udo Wengst, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2/2: 1945–1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, Nr. 207, S. 469.