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Am Montag beginnt die Asiatisch-Afrikanische Konferenz in Bandung
Sieben Tage lang wird die indonesische Stadt Bandung auf der Insel Java Zeuge eines welthistorischen Ereignisses sein: der Asiatisch-Afrikanischen Konferenz. Regierungsdelegationen aus 29 Ländern zweier Erdteile werden über die Lebensfragen ihrer Völker beraten: Maßnahmen gegen Kriegsgefahr und Kolonialterror, Hebung des Lebensstandards, gegenseitige Zusammenarbeit auf der Grundlage der friedlichen Koexistenz. Hinter diesen Delegationen stehen fast 1½ Milliarden Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Erde. Eine solche Konferenz hat es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben. Allein ihre Einberufung demonstriert, daß dieTage der unbeschränkten Herrschaft der imperialistischen Räuber in Asien wie in Afrika unwiederbringlich dahin sind. Die Konferenz von Bandung wird eine antiimperialistische Konferenz sein. Sie wird nicht nur eine Konferenz der Regierungen, sondern auch und vor allem eine Konferenz der Völker sein. Von ihr werden der Weltbewegung gegen den Krieg, für Frieden und Völkerfreundschaft neue, mächtige Kraftströme zufließen.
VOLKSREPUBLIK CHINA
Von größter Bedeutung für die Bandung-Konferenz ist die Teilnahme der Volksrepublik China. Das große 600-Millionen-Volk des Fernen Ostens hat sein in der Vergangenheit halbkoloniales Land in einen einigen, freien und demokratischen Staat umgewandelt, der sicher den sozialistischen Weg beschreitet. Mit der Sowjetunion steht Volkschina heute an der Spitze des Weltlagers des Sozialismus und der Demokratie. Für die Völker Asiens und Afrikas, die noch unter den Bedingungen der Kolonialherrschaft leben, ist die Befreiung des chinesischen Volkes von fremder Unterdrückung und sein Aufstieg zu Glück und Wohlstand ein revolutionierendes Vorbild. In der Volksrepublik China und in der Demokratischen Republik Vietnam, die in Bandung das sozialistische Weltlager repräsentieren werden, sehen die Völker zweier Erdteile Bahnbrecher auf dem Wege zur Freiheit.
Die Teilnahme der Volksrepublik China — und nicht der Tschiang-kaischek-Clique — läßt auch keinen Zweifel darüber, daß die Mehrheit der Menschheit die Regierung in Peking als die wahre Vertretung der 600 Millionen Chinesen ansieht. Als der indische Ministerpräsident Nehm gefragt wurde, warum Formosa (Taiwan) nicht in die Teilnehmerliste für Bandung aufgenommen wurde, antwortete er: „Ich kenne keinen solchen Staat.“
Und es besteht kein Zweifel, daß die Delegation der Volksrepublik China unter Führung von Ministerpräsident Tschou En-lai wie schon in Genf auch in Bandung im Namen Ihres Volkes ihr gewichtiges Wort für den Frieden sprechen wird.
COLOMBO-STAATEN
Dieses Wort wird auch bei den Vertretern von Ländern Widerhall finden, die noch auf anderen gesellschaftlichen Entwicklungsstufen stehen und von China in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht völlig unterschiedlich sind. Zu Ihnen gehören vor allem Länder wie Indien, Indonesien und Burma, die – noch vor kurzem Kolonialländer – heute souveräne Staaten sind, in vielen Fragen eine selbständige, auf die Sicherung des Friedens und die Festigung ihrer Unabhängigkeit gerichtete Außenpolitik betreiben und im Dezember 1954 auch die Asiatisch-Afrikanische Konferenz einberufen haben.
Besonders die Internationale Autorität der Republik Indien nimmt immer mehr zu. „Das Indische Volk“, erklärte der große Staatsmann des neuen China, Mao Tse-tung, einmal, „ist eines der großen Völker Asiens mit einer jahrtausendealten Geschichte und einer riesigen Bevölkerung. Das Schicksal des Landes in der Vergangenheit und sein Weg in die Zukunft sind in vieler Hinsicht dem Schicksal und dem Weg Chinas ähnlich.“ Und der indische Ministerpräsident Nehru bemerkte während seines Aufenthalts in China: „In mancher Hinsicht sind unsere Probleme die gleichen, und auch die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, sind ähnlich. Daher können wir sehr viel voneinander lernen.“
Mit den fünf Prinzipien der Koexistenz als Grundlage ihrer gegenseitigen Beziehungen gaben die Volksrepublik China und Indien, die zusammen allein fast eine Milliarde Menschen zählen, den Völkern Asiens, Afrikas und der ganzen Welt das Beispiel des friedlichen Nebeneinanderlebens von Staaten mit verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Systemen. Diesen fünf Prinzipien haben sich seither in Wort und Tat eine ganze Reihe anderer Länder angeschlossen. Alle diese Länder setzen ihren Kampf fort, um auch die letzten imperialistischen Fesseln abzuschütteln. In ganz Asien beginnt sich eine „Zone der kollektiven Sicherheit“ herauszubilden, die in zunehmendem Maße das politische Gesicht des größten der fünf Erdteile formt.
NAHER OSTEN
Ägypten, das führende Land des Nahen Ostens, hat sich vor kurzem gleichfalls zur friedlichen Koexistenz bekannt. Damit bahnt sich auch in diesem Gebiet eine neue Entwicklung an. Bisher hat die nationale Befreiungsbewegung in den arabischen Ländern noch nicht die Stärke und das Ausmaß erlangt, wie in einer Reihe asiatischer Staaten. Die imperialistischen Mächte, angelockt durch die großen Reichtümer (besonders durch das Erdöl) und die für ihre aggressiven Pläne günstige strategische Lage dieses Raums, versuchen mit allen Mitteln, die arabischen Staaten in den türkisch-irakischen Kriegspakt einzubeziehen und in gefügige Werkzeuge ihrer Politik zu verwandeln. Doch die imperialistischen Pläne sind auch hier auf Sand gebaut. Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und Jemen haben sich nach dem Verrat des Irak an den Staaten des Nahen Ostens bereits zu einem neuen, antiimperialistischen Bündnis zusammengeschlossen. Der Unabhängigkeitskampf der arabischen Völker wächst unaufhaltsam und verschmilzt immer mehr mit der großen asiatisch-afrikanischen Friedensbewegung.
AFRIKA
Ägypten ist schon ein afrikanisches Land. Neben ihm werden in Bandung auch Vertreter aus einigen anderen Teilen des „schwarzen Kontinents“ erstmalig auf einer derartigen Konferenz anwesend sein. Noch vor kurzem betrachteten die Imperialisten Afrika als ihren uneingeschränkten kolonialen Tummelplatz, und die unterdrückten Afrikaner antworteten nur mit einzelnen, spontanen Protestaktionen.
Das änderte sich jedoch nach dem Sieg der Sowjetunion im zweiten Weltkrieg und nach der chinesischen Volksrevolution. Der allgemeine Aufschwung der antiimperialistischen Befreiungsbewegung ergriff auch die Völker Afrikas. Immer mehr erwachen die unterjochten Völker Afrikas zu selbständigem politischem Leben. Ihr nationaler Befreiungskampf hat eine ungewöhnliche Stärke und Ausdehnung und die verschiedensten Formen angenommen. An seiner Spitze stehen überall das junge afrikanische Proletariat und die von ihm geleiteten demokratischen Organisationen, vor allem die Gewerkschaften.
Im wesentlichen ist Afrika im Gegensatz zu Asien jedoch noch ein kolonialer Kontinent. Nur wenige Länder haben bisher ihre staatliche Selbständigkeit erringen können. Daher sind in Bandung auch nur einige der afrikanischen Länder offiziell vertreten, die zum Teil auch noch imperialistischen Einflüssen ausgesetzt sind, wie Liberia, Libyen und Äthiopien. Ebenso aber, wie die Delegierten Asiens für das tapfer um seine Freiheit und Unabhängigkeit kämpfende Volk von Malaya ihre Stimme erheben werden, so werden die Delegierten Afrikas auch die Interessen der Patrioten von Kenia, Algerien, Marokko und Tunesien vertreten, die Interessen der siegreich aus großen politischen Streikkämpfen hervorgegangenen Bergarbeiter Zentralafrikas, deren Kolonialregierung als einzige die Einladung nach Bandung abschlug, und die Interessen der faschistischem Rassenterror ausgesetzten Bevölkerung Südafrikas.
Das alles macht verständlich, warum die Imperialisten aller Länder der Asiatisch-Afrikanischen Konferenz mit großer Unruhe entgegensehen und von Anfang an danach trachteten, sie zu sabotieren. „Wir wollen uns keinen Illusionen hingeben“, schrieb die „New York Herald Tribune“ bereits vor einiger Zeit „Die USA und ihre Verbündeten werden auf dieser Konferenz nicht Richter, sondern Angeklagte sein.“
Die ersten amerikanischen Versuche, durch Absagen einzelner ihnen höriger Regierungen die Bandung-Konferenz zu sprengen, mißlangen. Die Völker erzwangen Zusagen. Seitdem wenden die USA-Imperialisten alle Mittel an, um die Beratungen in Bandung, von denen sie selbst ausgeschlossen sind, mit Hilfe ihrer Satelliten von innen heraus zu torpedieren. Staaten wie Pakistan, Thailand, die Philippinen, die Türkei und andere haben bereits genaue Instruktionen erhalten, wie ein Erfolg der Konferenz verhindert werden soll. Doch diese Länder sind in Bandung in der Minderheit. Ihre Regierungen sehen sich nicht nur der Mehrheit der Konferenzteilnehmer, sondern auch dem Druck ihrer eigenen Völker gegenüber, die ehrlich ein friedliches Nebeneinanderleben wollen. Selbst Japan, bis zum Sturz Joschidas ein getreuer Vasall der USA, ist ein sehr unsicherer Faktor in der amerikanischen Bandung-Rechnung.
Daher lassen es die USA nicht bei der Beeinflussung einzelner Delegationen bewenden. Während sie einerseits den Köder verstärkter finanzieller „Hilfe“ auswerfen, greifen sie andererseits zu offenem Terror, putschen die faschistischen Parteien und Organisationen des Gastgeberlandes Indonesien gegen ihre Regierung auf und scheuen selbst vor dem Letzten nicht zurück. Der heimtückische und feige Mord an Mitgliedern der chinesischen Delegation und fortschrittlichen Journalisten, die durch einen von Agenten der USA und Tschiangkaischeks herbeigeführten Flugzeugabsturz den Tod fanden, spiegelt die ganze Fäulnis und Niedertracht des imperialistischen Systems wider. Aber dieser Mord wird sich gegen die Mörder wenden. Die Völker sind stärker.
Jahrzehnte hindurch bauten die Imperialisten ihr koloniales System auf der Politik der Spaltung der asiatischen und der afrikanischen Völker auf, um sie einzeln unterjochen zu können. Heute haben die Völker Asiens und Afrikas die Erfahrungen der Vergangenheit beherzigt. Heute bilden sie vom Atlantik bis zum Stillen Ozean, von der Goldküste bis an den Amur einen einheitlichen einigen Block des Friedens.
Quelle: Horst Leinkauf, „ Zwei Kontinente stehen auf: Am Montag beginnt die Asiatisch-Afrikanische Konferenz in Bandung“, Neues Deutschland, Nr. 89, 17. April 1955, S. 6.