Kurzbeschreibung

Hedwig Dohm (1831–1919), Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, war mit Wilhelm Friedrich Ernst Dohm verheiratet, dem Herausgeber des satirischen Witzblattes „Kladderadatsch“. Durch ihren Ehemann kam sie in Kontakt mit der intellektuellen Elite Berlins. In einer mehr als 50 Jahre dauernden Laufbahn veröffentlichte Dohm Romane und Theaterstücke, bleibt aber am bekanntesten für ihre ironischen und scharfsinnigen Aufsätze zum Thema Frauenrechte, die sie zwischen 1872 und 1879 verfasste. Der folgende Aufsatz, einer der ersten seiner Art, erregte reichsweit Aufsehen. Darin attackiert Dohm ein Pamphlet „zur Frauenfrage“ (Halle, 1871)—welche von Philipp von Nathusius-Ludom (1842–1900) stammte, einem protestantischen Theologen und Herausgeber der führenden Zeitung der Konservativen Partei.

Hedwig Dohm, „Was die Pastoren von den Frauen denken“ (1872)

  • Hedwig Dohm

Quelle

Was die Pastoren von den Frauen denken. Zur Frauenfrage, von Philipp von Nathusius und Herrn Professor der Theologie Jacobi in Königsberg

(S. 2)

[] Wenn ich den vorliegenden Schriften trotz ihrer Trivialität eine kurze Beleuchtung widme, so geschieht es, erstens, weil die Verfasser, streng konservative, fromme Herren, im großen und ganzen wohl auch in der Frauenfrage die Anschauungen ihrer einflußreichen Partei vertreten, der Orthodoxen in der Kirche, der Konservativen in der Politik, und zweitens, weil Herr von Nathusius den ganz besonderen Wunsch ausspricht, daß man ihn widerlege.

Ob sich die Seelen der frommen Pastoren (denn auch Herrn v. N. halte ich für einen Diener Gottes) in freier Wahlverwandtschaft gefunden oder ob der eine sein trübes Wasser aus dem Gischtquell des anderen geschöpft hat, das vermag ich nicht zu entscheiden.

Selbstverständlich kann in diesem Aufsatz nicht von einer erschöpfenden Widerlegung der beiden Broschüren die Rede sein; die des Herrn v. N. allein ist über 150 Seiten stark. Ich mußte mich begnügen, einige hervorspringende Punkte in den Theorien der beiden Herren dem Einblick und dem Urteil der Leser zu unterbreiten.

Wo sich die Verfasser auf religiöses Gebiet flüchten und als Beweisgründe Bibelstellen, als unmittelbare Offenbarungen Gottes, anziehen, da kann ich ihnen weder folgen, noch sie verfolgen. Der Tempel war von jeher ein schützendes Obdach für Übeltäter jeder Art.

Herr von Nathusius beginnt sein Werk mit dem Versuch, die Bestimmung des Weibes ausschließlich für die Ehe beweisen zu wollen.

(S. 49ff.)

„Das Haus ist die Welt der Frau! Beruf und Lebensaufgabe der Frauen ruhen ein für allemal in festen Ordnungen der Natur und des göttlichen Gebots und können nicht wanken und weichen!!“

Herr von Nathusius, wie die meisten ihm wahlverwandten Denker, verwechselt beständig Sitte oder historische Zustände und Naturgesetz. Naturgesetze zu ergründen, ist nur den tiefsten Geistern, den erhabensten Genien gegeben. Ein Newton, ein Kopernikus haben Naturgesetze der Erde gefunden. Wer aber hat bis jetzt die Naturgesetze des Menschengeistes so ergründet, um eine ewige Weltordnung darauf zu bauen? Sie vielleicht, Herr v. Nathusius?

Sie selbst erzählen von einem wilden Volk, bei dem die Männer sich ins Bett legen, wenn ihre Frauen in die Wochen kommen. Wenn diese Wilden sich gebildet ausdrücken könnten, so würden sie das jedenfalls für ein „Naturgesetz“ erklären, das nicht wanken und weichen könne. Und diese Gesetze, „die nicht wanken und weichen können“, nicht wahr, sie haben festgestellt, daß die Tagelöhnerfrau nun schon seit Jahrhunderten jahrein, jahraus im Schweiße ihres Angesichts ihr trockenes Brot herunterwürgen muß, während die reiche Gräfin oder Prinzessin zur selben Zeit mit Delikatessen und Nichtstun ihr Nervensystem ruiniert?

Diese unglücklichen Naturgesetze scheinen die Sündenböcke für alle haarsträubende Dummheit, für jede Niedertracht der Menschen und Zeiten zu sein. Die Sitte knüpft nicht etwa an Naturgesetze an, sie ist viel öfter das Kind des Vorurteils als des Urteils. Sie wissen ebensogut wie ich, daß die Sitte nur die Form ist, in der sich der Geist einer bestimmten Zeitperiode offenbart, umfasse diese Zeitperiode nun die Dauer eines Jahrzehnts oder dreier Jahrtausende!

Das aber ist das Tragische unserer gesellschaftlichen Zustände, daß ihre Formen oft den Geist, der einst in ihnen lebte, überdauern. Und diese toten Formen nun, diese Gespenster, haben die unerhörte Anmaßung, bei hellem Tage über lebendige Geister herrschen zu wollen!

Und dann, Herr v. Nathusius, als die ersten Frauen geschaffen wurden, gab es wahrscheinlich noch gar kein Haus und vielleicht Jahrtausende hindurch kein Haus, keine Kleidung, kein Feuer, und es ist anzunehmen, daß, hätte die Natur die Frauen ausschließlich für das Haus bestimmt, so würde sie ihnen einen kleinen Feuerherd, einen Nähtisch und einen Besen mit auf die Welt gegeben haben.

Oder wissen Sie vielleicht vermöge geheimnisvoller Offenbarung etwas von den tausend und aber tausend Jahren, die den lumpigen paar Jahrtausenden, von denen wir anderen etwas wissen, vorausgingen? []

„Das Haus zu ernähren“, fahren Sie fort, „liegt seit dem Paradieses-Ausgang dem Manne ob“ u. s. w.

Wie gesagt, außer Ihnen weiß niemand etwas von den Urzuständen der Menschheit, obgleich die Vermutung naheliegt, daß unsere heutigen Frauen denen der Urzeit ebensowenig gleichen mögen, wie die Referendare und Lieutenants von heute den Pfahlbautenbewohnern. Aber bleiben wir bei der Gegenwart.

„Es ist die Pflicht des Mannes“, sagen Sie, „das Haus zu erhalten.“

Warum vergessen Sie bei dieser Gelegenheit, Ihren Bannstrahl zu schleudern gegen die Männer, die reiche Frauen heiraten? []

Zweitens, Sie wissen zweifellos, daß der weitaus größere Teil der Frauen der niederen Stände an der wirtschaftlichen Arbeit des Mannes teilnimmt (oder kommt Ihrer Meinung nach das Proletariat gar nicht in Betracht?), ohne daß sich meines Wissens jemals ein erheblicher Einspruch dagegen erhoben hätte, auch nicht von den frommsten und konservativsten Herren.

Warum eifern Sie nicht gegen diese Frauenklassen, die Naturgesetze mit Füßen treten, diese Übeltäterinnen, die ihre Kinder zu Hause einschließen oder sonst leichtsinnig verfahren, die von dannen gehen, um vielleicht drei Tage und drei Nächte hintereinander zu waschen?

Warum duldet man diese Verbrechen an der natürlichen Bestimmung des Weibes?

Ihr Hausfrauen, jagt diese Weiber von euren Waschfässern, von euren Fenstern, die sie reinigen wollen! Duldet nicht diese frivole Zeitvergeudung, treibt sie fort zu ihren Kindern, damit sie dieselben mütterlich pflegen und beaufsichtigen, sie sauber kleiden und spazieren führen, wie es ihre Pflicht gebietet!

Aber das ist wahrscheinlich diesen gewissenlosen Personen zu schwer; sie können sich vom Waschfaß und Scheuerlappen nicht trennen, sie ergeben sich ihnen, wie der Mann dem Trunk, und oft genug sterben sie auch daran, wenn Rheumatismus und Gicht ihnen zu Hilfe kommen!

Es geschieht ihnen recht!

Freilich, wenn sie Witwen sein sollten, findet diese ehrlose Leidenschaft des Gelderwerbs einige Entschuldigung; aber das ist ein Faktor, mit dem nicht zu rechnen ist. Witwe zu sein ist nicht des Weibes Beruf. Es büße für diese Naturwidrigkeit!

(S. 56, 23)

Den Frauen aber ruft er [Nathusius] zu: „Die wichtigste aller eurer Arbeiten, auch sogar volkswirtschaftlich, ist, der großen Gesellschaft täglich einen an Leib und Seele erquickten Mann zu schenken und ihr mit jeder Generation wohlerzogene Kinder zu schenken.“

Wer aber, Herr von Nathusius, erquickt denn nun die armen Frauen nach ihrer schweren Tagesarbeit? Denn Sie werden mir zugeben: was dem einen recht ist, ist dem anderen billig.

(S. 10, 57f.)

Um den Frauen die bittere Pille der Unterordnung (und des Dienens, d. H.) zu versüßen, gibt man ihnen zum Trost die verwerfliche Lehre: „Seid gehorsam dem Manne, auf daß ihr herrschet!“ — eine Lehre, die der Verfasser zu wiederholten Malen und in den verschiedensten Wendungen den Frauen einprägt.

Wir wollen von dem logischen Unsinn des Satzes absehen, der in dem Nachsatz den Vordersatz aufhebt; denn wenn man herrscht, ist man eben über- und nicht untergeordnet.

Diese heuchlerische Vorschrift aber, die für gut und fromm gilt, ist von dem Geist Machiavells erfüllt. Mit anderen Worten heißt sie:

„Anstatt durch edle Fähigkeiten und sittliche Vorzüge, die Gott dir verliehen, zu herrschen, unterdrücke und verbirg dieselben, wenn es nötig ist, beuge dich unter einen vielleicht rohen Mann, widersprich ihm nicht, tue scheinbar was er verlangt, laß ihn in allem gewähren, es sei noch so töricht oder verwerflich. Heuchelei und Intrigue, das sind deine Waffen; spioniere seine Schwächen aus, sei sanft, schmeichle ihm, und du wirst ihn beherrschen. Ist er Simson, so sei du Delila!“

(S. 58/57)

So fiel mir kürzlich ein mittelalterliches Gedicht in die Hände, das von den Pflichten der Gattin handelt, und aus dem uns der Eheherr wie ein bösartiger Pavian entgegentritt:

Es beginnt folgendermaßen:

„Wenn er schreit, sie nur schweiget,
Schweigt er dann, redt sie ihn an,
Ist er grimmsinnig, ist sie kühlsinnig,
Ist er vielgrimmig, ist sie stillstimmig,
Ist er stillgrimmig, ist sie trostsinnig,
Ist er ungestümig, ist sie kleinstimmig,
Tobt er aus Grimm, so weicht sie ihm,
Ist er wütig, so ist sie gütig,
Mault er aus Grimm, redt sie ein ihm.
Er ist die Sonn, sie ist der Mond,
Sie ist die Nacht, er hat Tagesmacht.“

Es passiert übrigens noch anderen Leuten als Herrn v. Nathusius, daß sie im Eifer, um die Notwendigkeit der Frau im Hause zu beweisen, die Männer mit einem Schimmer von Blödsinn umgeben.

(S. 11, 8/9)

Wer, wer erlöst uns von der Phrase? — „von der Unterordnung des weiblichen Geschlechts auf Grund des biblischen Ausspruchs: er soll dein Herr sein.“

In den niederen Ständen ist er es in der Regel, denn hier herrscht, Gott sei‘s geklagt, noch das Faustrecht.

In den gebildeten Ständen hat zwar vielfach die Frau in der Ehe das Übergewicht, leider aber entscheidet hier nur äußerst selten der innere Wert der Gatten über die Herrschaft. – Gemeine, egoistische Frauennaturen wissen sich zu helfen. Die Märtyrerinnen der Ehe sind fast immer edle, fein organisierte Frauen.

In den wenigen idealen Ehen aber, die ich kenne, ist niemand über- und niemand untergeordnet; das vollkommenste Respektieren der beiderseitigen Eigenart herrscht da; in gesicherter Freiheit leben die Gatten, und so wird es immer zwischen wahrhaft edlen Menschen sein.

Bleiben wir aber bei den Ehen, wie sie in der Regel sind und nach unseren sozialen Einrichtungen kaum anders sein können, und fragen wir: wer sollte innerhalb dieser Ehen herrschen?

Nicht ein Geschlecht, Herr von Nathusius, sondern eine Gesinnung, die edlere Gesinnung und der reinere Geist sollen herrschen.

(S. 17ff.)

Indessen will der Verfasser den unglücklichen ledigen Frauen, die ihren Beruf verfehlt haben, drei Berufssorten als Notarbeit gütigst gestatten: „Den Beruf der Diakonissin, der in seiner Erweiterung den Hebammendienst einschließt, und – man staune – den Beruf der Ärztin.“

Kaum hat aber Herr von Nathusius das kühne Wort gesprochen, so überkommen ihn Gewissensskrupel, die er durch folgende Einschränkung zu beschwichtigen sucht:

„Es wird aber sehr darauf ankommen, daß dieses Stück der ‚Frauenfrage‘ in die rechten Gleise geleitet werde. Will man es als weiter nichts als ein Stück Konkurrenz des weiblichen Geschlechts mit dem männlichen behandeln, ohne die eigentümlichen Gaben und Grenzen beider auch darin innezuhalten, [] so ist zu fürchten, daß diese Konkurrenz scheitert und das Ganze mit einem lächerlichen Versuche endet.“

„Es wird sich der Beruf von Heilfrauen auf Frauen und Kinder beschränken (selbstverständlich), er wird sich vorzugsweise auf Frauen- und Kinderkrankheiten zu werfen haben. Es wird eine männliche Überlegenheit der Ruhe des Verstandes, der Energie, auch in diesem Beruf wie überhaupt in der Natur beider Geschlechter begründet bleiben.“

Ich möchte wohl die Frau sehen, die sich oder ihre Kinder einem weiblichen Arzt anvertrauen würde, wenn sie diesem weniger Ruhe, Verstand und Energie als dem männlichen zutraute! Nicht eine Katze würde ich von einer solchen Ärztin kurieren lassen, Herr von Nathusius. []

In neuester Zeit ist man, und wohl mit Recht, mißtrauisch gegen Spezialärzte geworden, weil bei ihnen die Befürchtung naheliegt, daß durch eine andauernde Beschäftigung mit einem einzelnen Organ der Blick für die physischen Zusammenhänge in ihrer Totalität getrübt werden könnte. Und Sie wollen uns mit dilettantisch ausgebildeten Spezialärztinnen beglücken? Das heißt ja förmlich Kindermord predigen! []

Als dritte Berufsart läßt Herr von Nathusius die Lehrerin gelten und „erschrickt nicht vor dem Gedanken von Elementarlehrerinnen für Knaben.“

„Wie viel billiger“, meint er, „würde eine Lehrerin dem Gemeinde- oder Patronatssäckel zu stehen kommen.“

Wieder der herrliche Grundsatz, selbst bei geistiger Arbeit nicht die Leistung zu bezahlen, sondern nur so viel als die Leistende eben braucht, um nicht zu verhungern. Den Unterricht der Frauen an höheren Schulen will Herr von Nathusius ausgeschlossen wissen, schon „um deswillen, weil seiner Überzeugung nach jede Kollegialität zwischen Männern und Frauen sich nicht nur als verderblich, sondern auch als dauernd unausführbar, weil widernatürlich, erweisen dürfte.“

Herr von Nathusius begründet seine Ansicht an dieser Stelle nicht näher. Warum, fragen wir uns erstaunt, hält er diese Kollegialität für widersinnig und verderblich, obgleich dieselbe seit vielen Jahren in den Elementarklassen und Volksschulen, der großen Städte wenigstens, besteht, ohne daß unseres Wissens jemals widernatürliche Erscheinungen dabei zu Tage getreten wären?

Hält er vielleicht unsere soliden, ehrbaren deutschen Lehrer und Familienväter für lauter verkappte Don Juans, oder sieht er diese Kollegialität wie einen Feldzug zwischen den beiden Geschlechtern an, bei dem die Eitelkeit der männlichen Kollegen Wunden davontragen könnte?

Ich verstehe hier Herrn von Nathusius ganz und gar nicht.

Zweitens schließt er die Frau von höheren Schulen aus, „weil eigentlich gelehrte Bildung stets außerhalb des Frauenberufs liegen bleiben wird und muß.“

Gelehrte Bildung scheint Herrn v. Nathusius als etwas besonders Wunderbares und Erhabenes vorzuschweben.

Gelehrt, Herr von Nathusius, kann ein jeder werden, der, mag sein Verstand immerhin mäßig, ja dürftig sein, recht viel – verzeihen Sie den vulgären Ausdruck – Sitzfleisch hat; und Fleiß und Ausdauer hat meines Wissens noch niemand den Frauen abgesprochen.

Die Erziehung der Kinder halten Sie und mit Ihnen die ganze gebildete Welt für den vornehmsten und geeignetsten, wenn nicht ausschließlichen Beruf der Frau. Und Sie, ein Mann mit männlichem Verstand, Sie glauben im Ernst, daß weniger logischer Verstand, weniger Intelligenz dazu gehört, eine Kinderseele zu verstehen und zu entwickeln, als sich „gelehrte Bildung“ anzueignen?

Ich sage Ihnen: Kindererziehung ist die höchste und schwerste aller Berufsarten, und unter allen Menschen, Frauen und Männern, sind wenige so hochbegnadet, so auserwählt, um dieses Amtes nach Gottes Willen zu warten. []

„Den Frauen gelehrte Bildung zu geben“, sagt der Verfasser an derselben Stelle, „ist meiner Anschauung nach eine Erniedrigung der Frauen aus einer viel edleren Sphäre heraus, und neben der Verschraubung der Frauen zugleich eine Beraubung der Männer, die in ihrer eigenen Wissensplackerei darauf angewiesen sind, eine Erquickung an der ungelehrten und eben deshalb sehr oft klügeren oder weiseren Frau zu haben.“ []

„Die Männer in ihrer Wissensplackerei“, sagen Sie.

Ich weiß nicht, wie groß die Plackerei ist, eine Predigt auszuarbeiten, ich kenne aber Männer der Wissenschaft, denen ihre Studien die höchste Erquickung und Freude, das wahre Leben sind. Und sollte man nicht aus Ihrem Satz von der Wissensplackerei schließen, daß alle Männer Gelehrte seien? []

Worin übrigens das erfrischende, anmutige Geplauder der einfachen, ungeschulten Frau, wie Sie sie wünschen, „mit Bruchstücken von Elementarkenntnissen und selbst ohne sie“ besteht, davon weiß mancher Eheherr ein Lied zu singen. Aber über den Geschmack läßt sich nicht streiten; der eine hört lieber über große Wäsche, nichtsnutzige Dienstmädchen und böse Nachbarinnen plaudern, ein anderer zieht andere Gegenstände der Unterhaltung vor.

(S. 58/59)

„‚Man lehre die Mädchen nicht zu viel“, sagt Herr von Nathusius, „man nimmt ihnen, wenn man sie zu sehr bildet und unterrichtet, einen wahren Vorzug [] wie liebenswürdig ist ihre Unwissenheit [] wie viel tägliches Vergnügen raubt man dem Manne, wenn man Mädchen zu gelehrt macht.“

Welch ein zynischer Egoismus!

Als käme es nur darauf an, daß die Frauen den Männern möglichst viel Vergnügen machen! Nur der Sklave ist um des anderen willen da.

Und worin besteht denn nun das Vergnügen? Etwa im Gefühl der Überlegenheit? Zum Teufel mit dieser läppischen Eitelkeit!

Oder soll das Vergnügen in der erziehenden Tat liegen, so begreife ich es vollkommen; aber, abgesehen davon, daß diese Tat nur in den allerseltensten Fällen von den Männern an ihren jungen Frauen geübt wird, so würde sich doch dieses „Erziehen und Lehren“ immer nur auf die in der Entwicklung begriffene weibliche Seele beziehen, nicht auf die reife Frau.

Und hierin liegt, fürchte ich, eine der Hauptquellen, aus der die Männer ihre verschrobenen Ansichten über die Frauen schöpfen. – Wenn sie vom Reiz der Unwissenheit sprechen, bevölkert sich ihre Phantasie sofort mit reizenden jungen Mädchen zwischen 16–18 Jahren, während sie die Vorstellung einer wissenschaftlichen, gebildeten Frau nicht von der einer alten, häßlichen Person trennen können. Das Weib hört auf für sie zu existieren, sobald es ihrem Vergnügen nicht mehr dient.

In der Tat mögen Naivität und Unwissenheit bei einem hübschen jungen Mädchen nicht ohne pikanten Reiz sein; an einer vierzigjährigen Frau sind sie unerträglich. Nur diejenigen Eigenschaften haben Wert, die sich in der Dauer bewähren.

(S. 65/66)

Die guten Männer reden uns ein, wir lebten unter ihrer Herrschaft wie im Paradiese.

Vergebens rufen wir uns heiser, daß wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben und des Paradieses nicht mehr würdig seien.

Wie der Engel im Paradies, hält der Mann das flammende Schwert in Händen, aber, der Gute, der Barmherzige, nicht um uns auszutreiben, sondern um uns gewaltsam gegen unseren Willen darin festzuhalten!

Quelle: Hedwig Dohm, Was die Pastoren von den Frauen denken. Zur Frauenfrage von Philipp von Nathusius und Herrn Professor der Theologie Jacobi in Königsberg. Berlin, 1872. Online verfügbar unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11018712?page=,1; abgedruckt in Margrit Twellmann, Die Deutsche Frauenbewegung im Spiegel repräsentativer Frauenzeitschriften. Ihre Anfänge und erste Entwicklung, 2 Bde., Bd. 2, Quellen 1843–1889. Meisenheim am Glan: A. Hain, 1972, S. 177–83.