Kurzbeschreibung

In ihrem Rechenschaftsbericht für die 3. Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins hob die erste Vorsitzende Louise Otto (1819–1895) 1869 die Langwierigkeit aller Bemühungen zur Verbesserung der Stellung der Frau hervor und verwies auf die zentrale Rolle der Lokalvereine. Trotzdem zeigte sie sich angenehm überrascht, dass der Verein jüngst von einem Philosophenkongress ebenso wie aus der Arbeiterschaft Unterstützung erhalten hatte.

Rede von Louise Otto, erste Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, bei der 3. Generalversammlung (1869)

  • Louise Otto-Peters

Quelle

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Indem ich Rechenschaft ablegen soll von der Wirksamkeit unsers Vereins und dem, was er bisher geleistet, würde ich allerdings in Verlegenheit sein, wenn es sich dabei um sichtbare Resultate handelte. Nützliche Institute zu einer schnellen und augenfälligen Verbesserung des Frauenloses in‘s Leben zu rufen, kann wenigstens vor der Hand noch nicht Sache des Allgemeinen Deutschen Frauen-Vereins sein, solange derselbe nicht über große Geldmittel zu verfügen hat. Es ist dies vorerst nur Sache der Lokalvereine und um die Gründung solcher sich zu bemühen, ist mit eine seiner Hauptaufgaben. []

Denn eben diese Anregung zu geben, ist der Hauptzweck unsers Vereins. Er gibt sie zuerst schon durch seine Existenz, dadurch, daß in ihm ein Mittelpunkt gegeben für alle Frauen, denen es darum zu tun ist, an der Lösung der Frauenfrage mitzuarbeiten, wie denn wir fast alle, die wir hier aus Nord und Süd zusammengekommen sind, uns erst seit Gründung dieses Vereins kennengelernt und dadurch erfahren haben, daß es überall gleichgesinnte, begeisterungsfähige Frauen gibt, die bereit sind, einer gemeinsamen Idee ihre Kraft zu weihen und indem sie aus ihrer Vereinzelung heraustreten, im gemeinsamen Wirken ein Glück finden, nach dem sie bisher vergeblich sich sehnten. []

So folgte ich im Juli der Aufforderung des Handwerkervereins in Berlin, dort einen Vortrag über Frauenwirken im Dienste der Humanität zu halten, der daselbst die Gründung eines Arbeiterinnenvereins zur Folge hatte. []

Verzeihen Sie, verehrte Anwesende, wenn ich nicht umhin kann, noch erfüllt von dem unvergeßlichen Eindruck, den uns die eben erlebten Tage in Frankfurt [beim Philosophen-Kongreß, wo sie und Louise Gutbier waren und wo letztere eine Rede hielt] gewährten, dahin zu blicken und damit scheinbar von unserer Versammlung abschweife. Es ist eben nur scheinbar! Ich gestehe, daß ich schon von früher Jugend an immer etwas kühn gewesen bin in den Forderungen und Hoffnungen, die ich mit einer würdigeren Stellung des weiblichen Geschlechts verknüpfe – das aber, was wir jetzt erlebten, hatte ich weder zu fordern, noch zu hoffen gewagt! Ich hatte es nie für möglich gehalten, daß deutsche Philosophen, Vertreter und Professoren der höchsten Wissenschaft, sich herbeilassen würden, bei ihren Versammlungen die Mitwirkung der Frauen willkommen zu heißen! Schon im vorigen Jahre hatten sie uns aufgefordert, mit in Prag zu erscheinen – wir wagten es damals noch nicht, hinzugehen – aber eine unserer dort weilenden Genossinnen, Frau J. Hoff, hielt daselbst einen Vortrag. [] Solchen Erfolgen gegenüber verliert sich allmählich das Zagen auch für die deutsche Frau: ob es denn nun endlich einmal Zeit sei, das Wort Selbsthilfe als Losungswort auszusprechen und freudig und zuversichtlich, wenn auch immer noch nur Sandkorn tragend, mitzuarbeiten am Tempelbau der Humanität, der da errichtet werden muß, so wie von je unser deutsches Volk seine heiligen Dome baute, aus den Opfergaben der einzelnen, den Opfergaben von Mann und Weib, ein Dom, darin nicht allein der Traualtar steht, an dem Mann und Weib ihren Liebesbund heiligen, sondern auch der Hochaltar der Menschheit, an welchem nun Frauen und Männer zugleich sich weihen, dem Reiche Gottes zu dienen, damit es schon auf Erden sich verwirkliche. Und so vereinigen Sie sich mit uns, damit auch hier und heute Sandkörner getragen und Scherflein geopfert werden zu solchem Dombau! – Als ich unter das Programm dieser Versammlung das Wort schreiben konnte: im Saale des Arbeiterbildungsvereins, da ward mir schon damit eine besondere Freude, ich nahm das Wort als ein Zeichen guter Vorbedeutung! Wir stellen uns auf die Seite der Arbeit und der Arbeiter, wir proklamieren die Heiligkeit der Arbeit und der Bildung auch für die Frau und wir dürfen hoffen, daß diejenigen Arbeiter, in deren Lokal wir tagen, in uns keine gefährlichen Konkurrentinnen sehen, sondern Schwestern, die gerade so wie sie ein Recht haben, an die Verbesserung ihrer Lage zu denken, Hand in Hand mit ihnen. Und als ich nun hier sah, wie man uns diesen Saal mit freundlichem Grün geschmückt, da begrüßte ich auch darin ein Symbol: daß wenn auch jetzt noch unser Allgemeiner Deutscher Frauen-Verein einer Pflanze gleicht, der nur erst in Scherben gepflanzt wird und von uns wie von sorglichen Gärtnern noch vor zu viel rauher Luft gehütet werden muß, doch bald ein Baum daraus werde, im öden Garten der Menschheit zu blühen und Früchte zu tragen.

Quelle: Rede von Louise Otto, erste Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, bei der 3. Generalversammlung (1869); abgedruckt in Ruth-Ellen Boetcher Joeres, Die Anfänge der deutschen Frauenbewegung: Louise Otto-Peters. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1983, S. 198–99. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung vom Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main.