Quelle
Zeytregister
Das ist ein denckbbüechlein von mancherley historia und glaubwürdigen sachen, auch von vülen zustenden in der lesten ellenden, betrüebten, argen, beßen, verkerten und schnöden welt, wie es bey uns täglich im schwanckh geht und im vollen lauff ist. Auch was mich verursacht, das ich die hiestorie kürtzlich beschreib, wird einer das selbig in der vorred einfeltig leßen und vernemen.
Alles fleyßig und auff das kürtzest beschriben durch Johannes Heberle, schuomacher von Nensteten.
Anno Domini 1618 Jar.
[…]
1618 und 1619 jar
Anno 1618 ist ein grosser comet erschine in gestalt einer grossen und schröckhlichen rutten, welcher unß von und durch Gott hefftig tröwet, von wegen unsers sindtlichen lebens, die wir vüllfaltig verdient und noch teglich verdienen; der selbig ist gesehen worden vom herpste an biß in der frieling. Was er bedeüt, was auch darauff volgen wirdt, das selbig ist mit heyßen trenen zu beweinen, wie wir leider das selbig woll erfahren und erfahren haben, anno 20 büß anno 30, welches nit gnugsam zu beschreiben ist, wie solches diß büechlin fleißig außweißet. […].
Anno 1619 ist Ferdinandus der 2 zum römischen keyser worden, under welchem ein grosse verfolgung entstanden, durch krieg, auffruohr und vergiessung vüll christenblutt, wie solches die exempel gnug auß weisen. Erstlich hatt er ein grossen krieg angefangen in Böhma, welches er zwungen und erlegt under sein relicon, hernach in volget jaren Braunschweiger landt, Meckhelburger landt, Leineberger land, Frießland, Brandenburger land, Pommerland, Gottland, Ostereich, Mehren, Lendlin ob der Entz, Schleßing, die Chur Heidelberg, ja, fast das ganze Teüschland, welche ich nit ale kan erzellen und beschreiben.
[…]
1622
Was sich aber das selbig jar [1622] mit dem gelt verloffen und zugetragen, das wüll ich kürtzlich anzeigen und ein wenig beschreiben, mit allerley müntzen, welche nit alle zu erkönnen sindt, dan alle keysser und könige, fürsten und herren, graffen und edelleüte, stet und fleckhen, kesler und landtfahrer, haben gemüitzet und müntzen dörffen, das es vüll und mancherley gelt worden ist, das einer ein gelerten zungen und ein gut gesicht hat haben müessen, der alle uberschrifften hat könen lesen und sehen. Dan es ist ein leichtes und falsches gelt gewesen, das keinen bestandt gehabt hat. Dan von anfang war es schön, als wan es lauter silber wer, aber hernach in 3, 4, 5 oder auf leng in die 8 wochen ist es abgefahlen und rott worden wie das kupffer, außgenomen die thaller und das alte gelt. Weil aber ales gelt so beß und nichts werdt wahr, da hatt sich keiner mehr mit solchem schlemmen gelt wolen wichtig und richtig mehr bezallen lassen, dan ursach, es war nichts werdt. Das ist ein grosser jammer entstanden in allen landen. […]
Dan wan einer ein gelt hat ein viertel jar gehabt, so ist es im abgefallen und hatt den halben theil nit mehr gegolten wie zuvor oder aber gar nichts. […]
Was aber das kleine gelt betrüfft, das man an allen orten gemüntzet, das ist lauter kupffergelt, kreitzer, zweyer und pfinging. Erstlich will das selbig jedermann haben, voran das Ulmer kupfergelt, dan an etlichen orten gelten die Ulmer kupfferne kreitzer ein halben batzen, wie ich dan selber ein neuwe Spanabergsichen postila zu Denckhelspill umb 20 batzen kupffer kreizter kaufft hab, welche sunst umb 3 fl gut gelt verkaufft werd. […]
Da aber das kleine gelt ist auß dem landt komen, außgenomen die reichsthaller, dan man wil sie an allen wahren haben. Es hab einer feil, was es imer sey, wan einer nur für ein gulden kaufft oder verkaufft, so wil einer von dem andere reichsthaler haben. Es wil dem armen man niemandt nichts mehr geben, er hab dan reichsthaller, welches der arme nit hat könen uberkomen, das hat er müessen hunger und kumer leiden mit weib und kind, nur von des gelts wegen, dan es war alles sehr grausam theür, waß der mensch zu seiner underhaltung und narung gebraucht. Weil aber ein solcher jammer und noth ist mit dem gelt worden, so haben ethlichen stend und stet im Römischen reich sich mit ein[ander] vereinigt, wie sie der sach möchten vorstan und der ungelegenheit ein wenig wehren. Da haben sie gelt gemüntzet und haben [es] genant landtmüntz oder scheidgelt, ein schlechtes und verachtenes gelt, welches man nierent genomen hatt, dan in deren herrschafft, welcher der herr gemüntzet hat. Allein die Wirtenberger hirsch haben zum lengsten den stich behalten. Die frucht aber war sehr theür, dan der kern, daß Ulmer imen, gilt biß uff die 50 gulden, der rockhen 46 gulden, die gerst 26 fl, haber 15 fl, der lein 24 fl, erbiß 25 fl, dem reichsthaller nach, dan der thaler gilt 10 fl. Wie aber der reichsthaller uff 6 fl gemacht worden, so gilt das imen keren 5 thaler, das macht 30 fl. Der keren kompt wider auf acht halbe thaler, der macht 45 gulden und kompt wider so hoch hinauff, als wie der thaller 10 gulden hat golten. […]
1623
In der erndte, da man geschniten hat, so sindt vüll blutstropfen uff denen halmen gefunden worden, ja, die helm sindt ganz blutig geweßen, welche leider den blutigen krieg bedeütet haben. […]
Es sind auch in disem sommer umb Tübingen und Schorndorff im Wirtenberger landt, umb Jacobi tag, feürigen kuglin vom himel gefallen. An einem sontag 3 mall, am morgen, mittag und abendt. Darvon ist ein öffentlicher truckh außgangen, welchen ich selbst geleßen haben. […]
1628
Den 25 tag Augusti [1628], nachmittag zwischen eins und zwey uhr, hatt mir mein liebe haußfraw in dise welt geboren mein tochter Cathriena, ihr erstes kind, und an dem selbig tag noch getaufft in der vesperpredig am samstag. Ist den tag der sonne auffgang gewessen morgens umb 5 uhr 22 minuten, im zeichen des skorpions ist der tag gewessen, darin der mon geloffen. […]
1635
Den 2 tag Aprielis [1635] ist mir mein hertzallerliebster vatter selig auß diesem jamerthal selliglich in dem Herren entschlaffen, seines alters im 67 jars und 8 wochen 3 tag, morgens zwischen 7 und 8 uhren. Gott dem allmechtigen sey dem für diß gnadenwerckh lob, ehr, preiß und danckh, daß er in in diser grossen gefahr und so vüll räuber und mörder so veterlich und gnediglich behitet hatt, das er eines rechten nathürlichen todt gestorben ist in diser grossen beschwerlichen zeit, da vil taußend menschen sindt erschossen und erschlagen worden. […]
Nota: Es ist aber dise zeit keinem menschen auff dem landt kein leichtpredig gehalten worden, von wegen des grossen kriegs halber. Dan es ist kein pfarrer auf dem land gewessen, vast ein gantzes jar. Ist aber ein baurenmensch in der stat Ulm gestorben, so ist im auch kein leichtpredig gehalten worden, von wegen deß grossen unkostens halber, das der gemeine man nicht vermecht hat. Nachmals ist auch von einem erbaren rath der stat Ulm auch außgangen, das welcher an der pestelentz gestorben, dem selbigen soll auch kein leichtpredig gehalten werden, es sey in der stat oder uff dem landt, er sey reich oder arm, dan die pest in disem jar hefftig graßiert. […]
In denen hölzer und welden hatt einer nit könden bleiben, von wegen deß großen hungers, dan mir haben nit könden brott, salz, schmalz und anders, waß mir zu unßer leibsnarung haben wollen, nit könen uberkomen, das wir mit weib und kleine kinderlein (die wir das mall noch vüll gehabt) nit hunger sterben und verderben, dan wir haben allethalben ruoh gesucht.
Dan ich bin selber mit meinem weib und kleinen kindern, sampt einem grossen hauffen volcks auß dem holz vertriben worden. Da haben wir vermeint, mir werden in dem Wirtenberger landt sicher haben und seyen nach Heichlingen geflohen, aber lieber Gott, da haben wir auch kein friden und müssen wider in zweyen tagen von danen weichen, dan die reiter komen hauffenweiß und blündern ales auß und nemen waß sie finden. Dan sie sindt zu Launßen und Urspring biß in die 14 tag lang. […]
1630 [Restitutionsedikt & Schwedisches Eingreifen]
Auf diß außgeschribne mandat des Keyssers, welches er anno [16] 29 hat laßen außgehen, sein den Chatolischen die kirchengüter wider eingeraumbt worden, wider willens der Evangelischen, welche sich so starckh darwider gesetzet haben, aber vergebendlich. Der einige hertzog von Wirtenberg war der ienige, von welche man mehr als von andern forderte. Die nechste klagen weren deß Nidersächßischen creiß, das ihnen von so vüllen außgestandnen kriegen solches müste fahren laßen. Bey denen reichssteten war es auch gleich dise klag. Appellierten deßwegen an den Keysser und an das Reich, alle mit einander zogen sich auff die reichssatzungen. Da war es von ihrer hilff gantz stüll.
Der Sachs, und waß auß der protestirendten zuvor gut auff deß Keyssers seiten gewessen, baten eben dergleichen. Der Keysser aber hat einen fürstlichen colegialstag zu Regenspurg angestelt und die protestirenden dahin gewissen. Dieweil man aber der geistlichen güeter zu Regenspurg handlet, kompt der Schwed in Pommern und nimpt dem Keysser vast alle bäß ein und treibt das volckh zuruckh. Da haben die Evangelischen einen auffzug gemacht und nicht vill gehandlet, dan sie wolten zuvor sehen, wie es umb den Schweden möcht ablauffen und außgehen.
Auff dem tag zu Regenspurg war wenig außgericht. Dan dazumal stundt es ubel […]. Es wuste schier niemandt, waß er hoffen solt oder ferchten müeste, ruoh und frid war unangenehm. Die uberwinder wünschten nur krieg, die uberwundene hate hoffnung, das glückh werde sie auch wider treffen und hofften, es solte ihr wunsch auch einmal angehen und mit ihnen besser werden. […]
In disem jar [1630] stundt es ubel umb die evangelische religion an allen orten, und wan der könig auß Schweden dem Keysser mit krieg nit widerstanden het, so wer es umb der teütschen fürsten geschehen gewessen. Sie weren allein zu schwach gewessen und [hätten] den listigen hauffen nicht uberwunden. Aber Gott, der alles enden und wenden kan, der selbig hat den in gruben gefelt, der es graben hat.
Zu endt deß jar ist woll auch zu merckhen bey disser schweren betriebten und traurigen zeit, das wir bilich nicht vergessen, was unß Gott bißhero gethan hat an seinem heiligen wort, das unß so klar scheinet und leichtet, da wir Evangelische in allen kirchen gehalten haben den 24 tag Juni, an S. Johanni tag, das danckhfest, da es eben das hundertste jar gewessen, an welchem tag man zu Augspurg die evangelisch confeßion ubergeben hatt durch etliche fürsten und stendt deß Heiligen Reichs, dem großen keysser Carlo den 5 diß namens. Welches fest wir gehalten mit schönen gottesdinsten und gebet und gesang und comunicieren. In der morgenpredig und in der mittagpredig ist die Augspurgische confeßion von dem pfarer auff der cantzel offendtlich verleßen worden, damit ein jeder nun wiße, was die confeßion sey und inhalte.
1631
Als nun die bistumker, abteyen und andere geistlichen güter den Catolischen widerumb eingeraumbt worden, ist under denen geistlichen in der außtheilung selbs uneinigkeit und zanckh entstanden. Wie woll die Catolischen noch nicht völligen sig und die Evangelischen noch nicht uberwunden hate, dannoch zweyeten sie darumb auch under denen, die ir eigen sindt und nie streitig gewessen waren. Dan damall war der könig schon in Pommern und das selbig under sein gewalt gebracht, und die Keysserischen von tag zu tag sündt ruiniert worden und zuruckh gangen. Und weil die Keysserischen so ubel gehaußet, weil sie alles außraubten und blünderten, und der Schwed mit den aufflagen etwas gelinder war, so hat er im ein gute namen gemacht und hat in lieber auffgenomen dan den Keysser.
Dieweil der Keysser der religion auch auffsetzig war, so sind auch vüll, die zuvor auff deß Keyssers seiten gewessen, zu dem Schweden gefallen und sich an in ergeben. Die Keysserischen aber haben etliche stet angefallen, die selbig einzunemen und dem könig in Schweden den baß zu verlegen, damit er seinen fuß nicht weiter setzen möchte. Darunder ist auch gewessen die gewaltig und weite berehumbte und veste stat Magtaburg. Die selbig hat er belegert, eingenomen und zu grundt gericht, vertülget, verherget, welche in wenig stunden in die aschen gelegt worden, in welcher vüll taußendt menschen durch feür und schwert zu grundt gangen.
Dardurch im der general Thili vermeint, er hab im ein großen namen gemacht, aber es ist sein gröstes unglückh gewessen, das er hernach wenig sig und glückh gehabt hat, und sein undergang bald darauff erfolget, da in der Schwed bey Thonawerdt geschlagen, und er, der Tilli, durch einen schuß ist umbkomen. […]
1635 [Schloß Albeckh]
Dan es war ein gute vestung und etliche soldaten sampt einem hauptmann daselbs zu einer besatzung. Die selbigen haben jderman zu ihnen hinein gelassen, damit das arme landtvolckh nit gar zu grundt möchte gerichtet werden. Aber es ist das keißerisch volckh sie schnell uberfahlen und das schloß plocieret, das niemandt mehr hatt kenden auß noch ein komen.
So hatt ihnen der feindt die wasserbronnen abgegraben, das sie kein wasser mehr haben. Gar wenig hatt das gute bauersvolckh: mit brot, mehl, salz und schmalz sindt sie gar nit versehen. So haben die soldaten auch nit vüll zum besten, wie woll sie gehren mitgetheilt heten, wan sie es nur gekent heten. […]
Da ist es an ein metzen gangen. Da hat alles mißen herhalten, vüh und roß, wiewoll es anfangs ein grosser hauffen roß und vüh ist gewessen, aber nachmals gar wenig ist worden. Das wehre alles zu gedulden gewessen, wan sie nur wasser gehabt, dan es ist so mangel an wasser worden, das sie das wasser gebraucht haben, wo man die kutelfleckhen darein geweschen, auch die spielwasser, auch vast ein jeder seinen harn oder deren kinder harn gemeinlich getrunkhen haben, und dannoch das selbig für gutt gehalten. Und nur heten kenden uberkomen, das der durst so gross ist worden, das sie des hungers nicht mehr geachtet, wiewol sie nichts mehr haben dan das roßfleisch.
Alls aber der jamer ist [in] disem schloß, und je lenger je höcher hinauffsteigt, da haben sich das baursvolckh auff mitel bedacht, und haben sich auß dem schloß begeben und ir außflucht genomen, wie sie mögen in die statt Ulm komen.
[…] Es sindt aber etlich wohl darvon komen, aber zum theil sindt vill erschoßen und erschlagen worden, die weibsbilder mehr theils gefangen und alerley mutwilen mit ihnen getriben worden, und darnach wider in die stat komen. Den 7 tag Hewmonet ist das volckh vor Albeckh ab und wegzogen, und ist ein compani reiter und ein companj vußvolckh dabliben.
[…]
In disem [16]35 jar haben wir vüll außgestanden und innen worden mit kriegstheürung und pestelintz, das vül tausendt sindt umbkomen und hunger gestorben.
Was den krieg belangt, so ist er in disem jar weitleffig beschriben worden. [Was] die theürung belangt, so ist es schwerlich hergangen, das der kern ist komen zu Ulm biß uff die 13 fl. Darbey ist es nit verbliben, sonder hat golten von 12 fl biß uff die 16, 17 und herauff biß uff die 20 fl. Dan es ist ja kein korn oder frucht under das kornhauß komen, sonder alethalben heimlich von denen beckhen erkaufft worden. Der rockhen hatt golten biß uff die 12 fl ein imen, erbiß 15 fl, haber 8 fl, schmalz und salz gilt einander gleich im gelt, dem pfundt und metzen nach biß uff die 9, 10, 11, 12 batzen. Der metzen salz ist aber gar hoch verkaufft worden. Zu Weidenstetten hat der Geißlinger metzen golten 17 und 20 batzen, der Ulmer metzen 1 fl, dan ich hab es selbers drumb kaufft und bezahlt, das zeüg ich mit mundt und feder, wie auch mit meiner eigne handtschrifft. Dan es ist so ein grosser jamer und elendt gewessen, das es nit genug zu sagen noch zu schreiben ist.
Dan auß diser teürung und hungersnot ist entstanden noch ein jamer uber alle jamer, nemlich ein sterbet und pestelentz, das vüll taußendt menschen sind zu grundt gangen durch hunger, krieg und pestelenz. Dan durch den hunger ist von denen armen menschen vüll greüwlich und abscheüliches dings auffgefressen worden. Alls nemlich allerley ungereimbten dings: hundt und katzen, meüß und abgangen vüch, roßfleisch, das der schinder und meister uff dem vassen sein fleisch von dem abgangne vüch, als roß, hundt und andere thier, ist hingenomen worden, und haben dannoch einander drumb gerißen und für köstlich gut gehalten.
Es ist auch für gut gehalten worden allerley kraut uff dem feld: die distel, die nesle, schersich, hanefüeß, schmerbel, schertele. In suma allerley kraut ist gut gewessen, dan der hunger ist ein guter koch, wie man im sprichwort sagt. Dan durch diese hunger ist ein grosser sterbet und pestelentz entstanden, das vüll taussend menschen gestorben. Dan Docter Conradt Düeterich von Ulm schreibt in sein neuwen jahrspredig uber das fünff und dreißig jar, das zu Ulm gestorben seyen uber die 15 000 menschen, die zur stat sindt hinauß getragen worden. Darunder sindt gewessen 5000 sechßhundert und 72 arme und betler, 4000 und 33 landtvolckh und außlendisch, fündelkinder 168. Vil tag sind hinaußgetragen worden 150, 160, 170, das ist das meste gewessen. Soll das nit ein jamer gewessen sein. Ja, ich glaub wol, es sey ein jamer uber ale jamer geweßen, dan ich hab es nit nur here sagen, sonder ich hab es selbers gesehen und gehert mit meinen augen und ohren.
Von dem Bragischen friden
Als nun in dem [16]35 jar der Keysser den Schweden wider zimlich getempfft und zuruckh getriben, das er vermeint, er werde kein fuß mehr ins Reich setzen, wiewoll er nit gar auß dem Reich war, sonder an dem endt deß möhres in Hinderpommern, da hat der Keysser sich widerumb befreündet mit dem curfürsten auß Sachßen, welcher vormals mit dem könig in Schweden verbunden und deß Keyssers feindt war.
Und hat der Keysser mit dem Sachßen einen friden in der stat Prag gemacht, dan der Sachß wer das haupt under den Evangelischen. Dan der Keysser vermeint, wan er das haupt habe, so hab er den gantzen evangelischen bundt, wie dan solches geschehen ist. Dan als der Sachß zum Keysser gefalen und sich mit im verbunden, alsdan ist Niereberg die erste darauff gewessen und hat den anfang gemacht. Und nach Niereberg ist gefolget Ulm. Die haben bey dem könig in Ungern, deß Keyssers sohn, welcher damal ungerischer könig war und zu Heilpron war, haben die von Ulm diese freyheiten von im erlangt, wie hernach volget: Jtem das sie bey ihrer freyen iebung der religion bey irem magistrat, recht, gerechtigkeiten, statuten, freyheiten, wie vor alters gewessen ist, sicher und ungehindtert gelaßen werden. […] Darauff ist in allen kirchen das Te Deum Laudamus gesungen, ein gantze stundt lang mit alen glockhen zusamen geleüten, entlich aber auff alen pasteyen drey mall nacheinander umb die stat das grobe geschütz loßgebrandt worden. Nach Ulm ist gefolget Mümingen, darnach Franckhfort. Diß hab ich auß der relation geschrieben. […]
1638 [Kanibalismus in Breisach]
Es sind vast alle hund und katzen in der statt verspeiset worden. Es sind etliche tausendt roß, kie, ochßen, kälber und schaffsheiten verspeißet und gefreßen worden.
Den 24 Novembris [1638] ist in dem stockhhauß ein gefangner soldat gestorben, und als in der profoß wol begraben laßen, haben in die andere gefangne genomen, in verschniten und gespeißet. Es haben die gefangne in den stockhheüser lecher in die mauren gemacht mit denen finger, sich damit zu erlaben. Es sind zwen toden menschen in dem grab auffgeschniten worden, das eingeweid heraußgenomen und gefreßen worden. Es sind auf einen tag drey kinder geßen worden.
Es haben die soldaten eines pastetenbeckhen knaben ein stuckh brot versprochen, er soll mit inen in das leger gehen. Als er aber dahin komen, haben sie in gemetzget und gefreßen. Den 10 Christmonet sind allein in der Fischerhalden 8 namhaffte burgers [kinder] verlohren und vermutlich gefreßen worden, weil niemand gewust, wo sie hinkomen, ohne der frümde und betlerskinder, davon niemand kein wissenschafft hatt. Es sind auff dem platz allein zehen todte, ohne die andere so uff misthauffen und gassen gefunden worden.
Den 12 Christmonet ist wider ein soldat im stockhauß gestorben, und als in der profoß hatt wolen begraben lassen, sindt die andere darin ligenden mit gewalt auff den todten gefallen, mit den zenen zerrissen, und den todten roh gefressen. […]
1640
Im anfang dißes jars, da wir ein wenig ruoh und friden haben vor dem krieg, ist vast unser greste arbeit in disem winter wölff jagen. Dan es sindt vüll wölff in unser landt komen im kriegswessen. Dan Gott schickht unß zur straff beße thier in das landt, die unsere schaff und rinder sollen fressen.
Dan vor dem krieg war es ein wunder, wan man einen wolff gesehen hatt, aber jetzundt in denen jaren war es uns nit seltzum, wan wir vill bey einander sehen, dan es laufft alendthalben voll, jung und allt. Sie la[u]ffen under das vieh, wan schon zwen oder drey man bey dem vich sindt, und nemen von der herdt geißen und schaff. Und wolens ihnen nit nimen laßen, man kom dan mit gantzem gewalt auff sie. Ja, sie komen gar in die dörffer und für die heüßer und nemen katzen und hundt hinwegh, das man die gantze zeit keinen hundt mehr kan in denen derffer haben.
[…]
Quelle: Gerd Zillhardt, Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung: Hans Heberles „Zeytregister“ (1618-1672), Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten. Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, herausgegeben vom Stadtarchiv, Ulm, Band 13. Ulm, 1975, S. 85, 93-94, 98-100, 110, 122-23, 129-31, 154-56, 158-59, 161-63, 176, 182.