Kurzbeschreibung

In diesem Appell an die deutsche Öffentlichkeit vom 6. August 1914 wiederholt Wilhelm II. erneut die Behauptung (die sich schließlich zur offiziellen Propaganda entwickelte), dass Deutschland, auf allen Seiten von Feinden umgeben, zum Kriegseintritt gezwungen worden sei, um seine nationale Sicherheit und seine Interessen zu verteidigen. Wilhelm verweist außerdem auf die Verpflichtung Deutschlands, seinem Bündnis mit Österreich-Ungarn treu zu bleiben, was er als eine Frage der „Macht und Ehre” bezeichnet. Der Text wurde am 6. August im Reichsanzeiger, dem offiziellen Amtsblatt der Regierung, abgedruckt und am nächsten Tag in zahlreichen deutschen Tageszeitungen nachgedruckt. Zwei Tage zuvor hatte Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt. Wilhelm, dessen Mutter die älteste Tochter der britischen Königin Victoria war, was ihn und König George V. zu Cousins machte, war darüber besonders verärgert, da er erwartet hatte, dass Großbritannien neutral bleiben würde. Diese Tonaufnahme seiner Botschaft wurde jedoch erst im Januar 1918 angefertigt, als die Kriegslage für Deutschland bereits hoffnungslos war. Sie wurde von dem Sprachwissenschaftler Wilhelm Doegen aufgenommen, der für die Preußische Staatsbibliothek eine Sammlung von Sprachaufnahmen führender Politiker und anderer bekannter Persönlichkeiten anlegte.

Wilhelm II., Rede zum Kriegsbeginn (6. August 1914)

Quelle

An das Deutsche Volk! Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre mein und meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See, haben wir bisher ertragen im Bewußtsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten. Man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. Es muß denn das Schwert nun entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie war Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war!

Quelle: Wilhelm II., Aufruf des Kaisers an das deutsche Volk, 6. August 1914. Aufnahmedatum: 10. Januar 1918. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

DRA