Quelle
Meine lieben Schwestern,
Ich eröffne die heutige Sitzung des hiesigen Frauenclubs und mache Sie, meine lieben Schwestern darauf aufmerksam, dass diese Sitzung allmonatlich einmal in unserem Frauenclub stattfindet. Zweck des Clubs ist der Kampf gegen die männliche Unterdrückung und Hebung der Frauenschönheit. Denn nur die Schönheit ist das Kampfmittel gegen die Bestie ,,Mann" genannt.
Wenn die paar Männer, welche sich heute in unserer Versammlung befinden, sich nicht ganz anständig betragen, fliegen sie raus!
[Zwischenrufe]: Mal langsam hier! [Glocke] Langsam!
Als erste Rednerin hat sich gemeldet Fräulein Ohnewas aus Mönchen-Gladbach. Fräulein Ohnewas spricht über das Thema ,,Der Rumpelrock in seinem symmetrischen Verhältnis zum Diagonal-System des zierrosenbedeckten Riesenhutes sowie des Einflusses der modernen Kleidung auf die Nervenzentrale mit besonderer Berücksichtigung der hygrodermatolen Kosmetik.
[Zwischenrufe]: Was? Ruhe!
Meine lieben Schwestern, bevor ich nun Fräulein Ohnewas das Wort erteile, möchte ich noch einige Worte an Sie richten. Man hat uns gesagt, die Frauenemanzipation wäre ein totgeborenes Kind, welches sich im Sande verläuft. Ha! Gibt es wohl etwas Dümmeres als diese Behauptung? Meine lieben Schwestern, dass wir endlich die Übermacht bekommen, liegt doch klar auf der Hand! Es werden doch siebenmal mehr Mädchen im Jahr geboren als Knaben.
[Zwischenrufe]: Sehr richtig! Bravo, bravo, bravo!
Man spricht stets nur von der Schwäche des Weibes. Aber, liebe Schwestern, unsere Schwäche ist eben unsere Stärke.
[ Zwischenrufe]: Bravo, bravo bravo! Sehr richtig!
Und doch halten wir Frauen mehr aus wie der Mann. Ich wünschte nur, die Natur hätte einmal ein Einsehen und ließe die Männer auch mal Mutter werden, damit sie mal eine Ahnung hätten, wie es ist!
Bravo! Sehr richtig!
[Zwischenrufe Männerstimmen]: Ha ha ha! Machen wir, machen wir!
Liebe Schwestern, die Frau muss sich vollständig vom Mann emanzipieren. Wir brauchen keine Männer!
[Zwischenrufe]: Na, na, na! Ruhe, Ruhe Ruhe, Ruhe!
Die Männer heiraten nur des Geldes wegen. Sie streben nur nach unserem Vermögen und nach dessen Nießbrauch. Und wenn sie es verbraucht haben, niesen sie uns was!
Bravo, bravo, bravo!
Ja, meine lieben Schwestern, wir haben bis heute geschwiegen.
[ Zwischenrufe Männerstimmen]. Ruhe, Ruhe!
Aber nun ist der Bann gebrochen und nun werden wir reden ohne aufhören. Reden wollen wir, dass den Männern die Augen übergehen sollen! Ja, meine lieben Schwestern, wir wollen nicht mehr die Sklavin des Mannes sein. Wir wollen uns nicht mehr tyrannisieren und stoßen lassen. Wir wollen niederstoßen! Wir müssen oben zu liegen kommen in diesem gerechten Kampfe! Gewiss, wir haben es schon herrlich weit gebracht. Wir müssen es aber unter allen Umständen dahin bringen, dass die Hosen ganz in unseren Besitz kommen!
Darum liebe Schwestern, durch Kampf zum Sieg! Stimmen Sie mit mir in den Ruf: die internationale Frauenbewegung, die lebe hoch, hoch, hoch!
Quelle: Die Frauenrechtlerin, Autor/in unbekannt, Stimme: Clara Berger, 1912. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv