Kurzbeschreibung

Um den deutschen Arbeitskräftemangel zu beheben, wurden schon mit Kriegsbeginn Fremdarbeiter für die deutsche Industrie und Landwirtschaft geworben oder zur Zwangsarbeit verpflichtet. Am 21. März 1942 ernannte Hitler Fritz Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Bis zum Kriegsende war Sauckel in dieser Funktion für die Deportation und Ausbeutung ca. 5 Millionen ausländischer Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten verantwortlich. Das folgende Dokument, in dem Sauckel sein Programm der Verschleppung und Versklavung vor allem von Einwohnern Osteuropas und der Sowjetunion darlegt, schickte er im April 1942 an Alfred Rosenberg, der seit 1941 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete war. Sowohl Sauckel als auch Rosenberg wurden im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tod verurteilt und 1946 hingerichtet.

Fritz Sauckels Programm des Arbeitseinsatzes (20. April 1942)

  • Fritz Sauckel

Quelle

Sehr verehrter und lieber Parteigenosse Rosenberg!
In der Anlage erlaube ich mir, Ihnen mein Programm für den Arbeitseinsatz zu überrechen. Ich bitte zu entschuldigen, daß in diesem Exemplar noch einige Korrekturen enthalten sind.

Heil Hitler!
Ihr
Fritz Sauckel

An
Den Herrn Reichsminister für die besetzten Ostgebiete
Pg. Rosenberg
Berlin

Der Beauftragte für den Vierjahresplan
Der Generalbevollmächtige für den Arbeitseinsatz

20.4.42

Das Programm des Arbeitseinsatzes

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Der Zweck des gigantischen neuen Arbeitseinsatzes ist nun, alle jene reichen und gewaltigen Hilfsquellen, die uns das kämpfende Heer unter der Führung Adolf Hitlers in so überwältigend reichem Ausmaß errungen und gesichert hat, für die Rüstung der Wehrmacht und ebenso für die Ernährung der Heimat auszuwerten. Die Rohstoffe wie die Fruchtbarkeit der eroberten Gebiete und ebenso deren menschliche Arbeitskraft sollen durch den Arbeitseinsatz vollkommen und gewissenhaft zum Segen Deutschlands und seiner Verbündeten ausgenutzt werden.

Trotz der Tatsache, daß die meisten deutschen arbeitsfähigen Menschen in der anerkennenswertesten Weise ihre Kräfte für die Kriegswirtschaft bereits eingesetzt haben, müssen unter allen Umständen noch erhebliche Reserven gefunden und freigemacht werden.

Die entscheidende Maßnahme, dies zu verwirklichen, ist der einheitlich geregelte und gesteuerte Arbeitseinsatz der Nation im Kriege.

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Soll das vom Führer gesteckte Ziel erreicht werden, so ist dies nur möglich durch die gleichzeitige und schnellste Anwendung zahlreicher verschiedener, aber dem [sic] gleichen Zweck anstrebender Maßnahmen. Da aber jede derselben die andere nicht stören, sondern sie sinnvoll ergänzen muß, ist es unumgänglich notwendig, daß alle irgendwie an dieser entscheidenden Aufgabe beteiligten Dienststellen im Reich, seinen Gebieten und Gemeinden, in Partei, Staat und Wirtschaft nach einheitlichen Richtlinien verfahren.

So trägt der Arbeitereinsatz der Nation zur schnellsten und siegreichen Beendigung des Krieges außerordentlich bei. Er erfordert die letzte Kraft auch des deutschen Menschen in der Heimat. Für diesen deutschen Menschen, seiner Erhaltung, seine Freiheit, sein Glück und die Verbesserung seiner Ernährung und Lebenshaltung wird dieser Krieg geführt.

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Die Aufgabe und ihre Lösung

(um den Bedingungen der Geheimhaltung zu entsprechen, werden nachfolgend keine Zahlen genannt. Ich bitte trotzdem, überzeugt zu sein, daß es sich besonders zahlenmäßig um das größte Arbeiterproblem aller Zeiten handelt.)

A. Die Aufgabe:

1. Die Kriegslage hat die Einziehung neuer Soldaten zu allen Wehrmachtsteilen in gewaltigem Ausmaß notwendig gemacht.

Das bedeutet

a. die Herausnahme von Arbeitern aus allen gewerblichen Betrieben, vor allem auch von einer sehr großen Anzahl von Fachkräften aus kriegswichtigsten Rüstungswerken,

b. ebenso die Herausnahme gerade jetzt unentbehrlicher Kräfte aus der Kriegsnährungswirtschaft

2. Die Kriegslage erfordert aber auch die Durchführung des vom Führer über den bisherigen Stand hinaus gewaltig vergrößerten und verbesserten Rüstungsprogramms.

3. Die notwendigsten Bedarfsgüter des deutschen Volkes müssen im allernotwendigsten Umfang auch weiter produziert werden.

4. Die deutsche Hausfrau, insbesondere die Landfrau, darf besonders als Mutter durch den Krieg in ihrer Gesundheit nicht geschädigt, sie muß daher, wenn irgend möglich, sogar entlastet werden.

B. Die Lösung:

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Alle schon in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen, sowohl aus den West- wie den Ostgebieten, müssen, soweit dies noch nicht geschehen ist, ebenfalls restlos der deutschen Rüstungs- und Ernährungswirtschaft zugeführt, ihre Leistung muß auf den denkbar höchsten Stand gebracht werden.

Es ist zu betonen, daß trotzdem noch eine gewaltige Zahl fremder Arbeitskräfte ins Reich hereingenommen werden muß. Das größte Reservoir hierfür sind die besetzten Gebiete des Ostens.

Es ist daher unumgänglich notwendig, die in den eroberten sowjetischen Gebieten vorhandenen Menschenreserven voll auszuschöpfen. Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bezw. zur Zwangsverpflichtung geschritten werden.

Neben den schon vorhandenen, noch in den besetzten Gebieten befindlichen Kriegsgefangenen gilt es also vor allem, Zivil- und Facharbeiter und -arbeiterinnen aus den Sowjetgebieten vom 15. Lebensjahr ab für den deutschen Arbeitseinsatz zu mobilisieren.

Nach den vorhandenen Möglichkeiten kann dagegen aus den im Westen von Deutschland besetzten Gebieten Europas ein Viertel des Gesamtbedarfs an fremdländischen Arbeitskräften hereingenommen werden.

Die Hereinnahme von Arbeitskräften aus befreundeten oder auch neutralen Ländern läßt sich nur zu einem Bruchteil des Gesamtbedarfs ermöglichen. Hier kommen in erster Linie Fach- und Spezialarbeiter in Frage.

4. Um der deutschen Hausfrau, vor allem der kinderreichen Mutter sowie der aufs höchste in Anspruch genommenen deutschen Bauersfrau eine fühlbare Entlastung zuteil werden zu lassen und ihre Gesundheit nicht weiter zu gefährden, hat mich der Führer auch beauftragt, aus den östlichen Gebieten etwa 4 — 500 000 ausgesuchte gesunde und kräftige Mädchen ins Reich hereinzunehmen.

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6. Von sehr großer Bedeutung ist der Arbeitseinsatz der deutschen Frau.

Nachdem ich die grundsätzliche Meinung sowohl des Führers als auch des Herrn Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches gründlich kennengelernt und durch eigene sorgfältigste Erkundigung und Feststellungen dieses sehr schwere Problem gewissenhaft überprüft habe, muß ich grundsätzlich auf eine von staatswegen vorgenommene Dienstverpflichtung aller deutschen Frauen und Mädchen für die deutsche Kriegs- und Ernährungswirtschaft verzichten.

Wenn ich auch selbst anfänglich und mit mir wohl der größte Teil der führenden Männer der Partei und der Frauenschaft aus bestimmten Gründen glaubte, eine Dienstverpflichtung der Frauen durchführen zu müssen, so sollten sich hier doch alle verantwortlichen Männer und Frauen aus Partei, Staat und Wirtschaft mit der größten Ehrfurcht, aber auch in tiefster Dankbarkeit der Einsicht unseres Führers Adolf Hitler beugen, dessen größte Sorge der Gesundheit der deutschen Frauen und Mädchen und damit der jetzigen und zukünftigen Mütter unseres Volkes gilt.

Alle die Gründe, die für meinen Entschluß ausschlaggebend gewesen sind, vermag ich hier nicht anzuführen. Ich bitte aber, mir als altem und fanatischem nationalsozialistischen Gauleiter zu vertrauen, daß eben letzten Endes die Entscheidung nicht anders ausfallen konnte.

Darüber, daß diese Entscheidung aber gegenüber den Millionen Frauen, die täglich unter sehr schweren Bedingungen sich im Kriegseinsatz in der Rüstungs- und Ernährungswirtschaft befinden, eine scheinbar sehr große Ungerechtigkeit und Härte bedeutet, sind wir uns alle vollkommen einig, wohl aber auch darüber, daß man es bis zur letzten Konsequenz verallgemeinert und über alles heraufbeschwört.

Die einzige Möglichkeit, die derzeitigen Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen, besteht darin, daß wir den Krieg gewinnen und daß wir alsdann in die Lage kommen, alle deutschen Frauen und Mädchen aus allen Berufen, die wir dann als unfraulich und für unsere Frauen gesundheitsschädlich, die Geburtenzahl unseres Volkes gefährdend, das Familien- und Volksleben schädigend, betrachten müssen, herausnehmen.

Es gilt weiter zu überlegen, daß es eben ein ungeheurer Unterschied ist, ob eine Frau oder ein Mädchen schon frühzeitig an bestimmte Arbeiten in der Fabrik oder in der Landwirtschaft gewöhnt war und ob sie diese Arbeiten auch schon durchgehalten hat oder nicht.

Neben körperlichen Schädigungen müssen aber deutsche Frauen und Mädchen auch vor Schädigungen ihres Seelen- und Gemütslebens nach dem Willen des Führers unter allen Umständen bewahrt bleiben.

Insbesondere bei Massenverpflichtungen und -einsätzen könnte diese Bedingung des Führers wohl kaum erfüllt werden. Hier ist die deutsche Frau nicht ohne weiteres mit dem deutschen Soldaten vergleichbar. Hier ergeben sich innere Unterschiede zwischen Mann und Frau, die natur- und rassebedingt sind.

Im Hinblick auf unzählige Männer unseres Volkes, die als tapfere Soldaten an der Front stehen, und insbesondere auf die Gefallenen könnte eine solche Schädigung unseres gesamten Volkslebens durch hier drohende Gefahren auf dem Gebiet des Fraueneinsatzes nicht verantwortet werden.

Alle die vielen Millionen Frauen aber, die treu und fleißig innerhalb der deutschen Volkswirtschaft und besonders jetzt im Kriege eine wertvolle Arbeit leisten, verdienen die beste Fürsorge und Betreuung, die überhaupt denkbar ist. Ihnen gebührt ebenso wie unseren Soldaten und Arbeitern der größte Dank unserer Nation. []

Gegen das Bummelanten-Unwesen muß an und für sich mit scharfen Mitteln eingeschritten werden, denn es kann nicht geduldet werden, daß sich Faulenzer auf Kosten der Anständigen und Fleißigen ihren Pflichten in diesem Schicksalskampf unseres Volkes entziehen.

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Kriegsgefangene und fremdländische Arbeiter

Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.

Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei denkbar sparsamstem Einsatz die größtmöglichste Leistung hervorbringen.

Es ist für uns Deutsche von jeher selbstverständlich, daß wir gegenüber dem besiegten Feind, selbst wenn er unser grausamster und unversöhnlichster Gegner gewesen ist, uns jeder Grausamkeit und jeder kleinlichen Schikane enthalten, ihn korrekt und menschlich behandeln, auch dann, wenn wir eine nützliche Leistung von ihm erwarten.

Solange die deutsche Rüstungswirtschaft es nicht unbedingt erforderlich machte, war unter allen Umständen auf die Hereinnahme sowohl von sowjetischen Kriegsgefangenen, als auch von Zivilarbeitern und -arbeiterinnen aus den Sowjetgebieten zu verzichten. Allein, dies ist jetzt nicht mehr möglich. Die Arbeitskraft dieser Leute muß in größtem Maße ausgenutzt werden.

Ich habe daher als meine ersten Maßnahmen die Ernährung, Unterbringung und Behandlung dieser eingesetzten fremden Menschen mit den zuständigen Obersten Reichsbehörden und im Einverständnis mit dem Führer und dem Herrn Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches so geregelt, daß auch von ihnen eine optimale Arbeitsleistung verlangt werden kann und auch herausgeholt werden wird.

Ich bitte, dabei zu bedenken, daß auch eine Maschine nur das zu leisten vermag, was ich ihr an Treibstoff, Schmieröl und Pflege zur Verfügung stelle. Wieviel Voraussetzungen mehr aber muß ich beim Menschen, auch wenn er primitiver Art und Rasse ist, gegenüber einer Maschine berücksichtigen.

Ich könnte es gegenüber dem deutschen Volke nicht verantworten, nach Deutschland eine ungeheure Anzahl solcher Menschen hereinzubringen, wenn diese anstatt einer sehr notwendigen und nützlichen Leistung eines Tages wegen Fehlern in der Ernährung, Unterbringung und Behandlung das deutsche Volk auf das schwerste belasten oder gar gesundheitlich gefährden würden.

Auch für die Russenlager müssen daher auf das allersorgfältigste die Grundsätze deutscher Sauberkeit, Ordnung und Hygiene Geltung haben. Nur so wird es möglich sein, ohne alle falsche Sentimentalität auch aus diesem Einsatz den höchsten Nutzen für die Rüstung der kämpfenden Front und für die Kriegsernährungswirtschaft zu gewährleisten.

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Es ist alles zu vermeiden, was über die kriegsbedingten Einschränkungen und Härten hinaus fremden Arbeitern und Arbeiterinnen den Aufenthalt und die Arbeit in Deutschland erschweren oder gar unnötig verleiden könnte. Wir sind in starkem Maße auf ihren guten Willen und ihre Arbeitskraft angewiesen.

Es entspricht daher dem Gebot der Vernunft, ihnen Aufenthalt und Arbeit in Deutschland, ohne uns selbst etwas zu vergeben, so erträglich wie möglich zu machen.

[] Ich möchte daher alle deutschen Männer und Frauen, die beim Arbeitseinsatz im Kriege entscheidend mitzuwirken haben, aufs herzlichste aber auch auf das nachdrücklichste verpflichten, allen diesen Notwendigkeiten, Entscheidungen und Maßnahmen Rechnung zu tragen, und zwar nach dem alten nationalsozialistischen Grundsatz:

Nichts für uns, alles für den Führer und sein Werk, d.h. für die Zukunft unseres Volkes!

[gez.] Fritz Sauckel

Quelle: Sauckels Programm vom 20. April 1942 für den Einsatz ausländischer Arbeiter und Kriegsgefangener in der deutschen Kriegsindustrie; Erklärung seiner Absicht, eine halbe Million gesunder Mädchen gemäss Hitlers Anordnung aus dem Ausland nach Deutschland einzuführen (Beweisstück US-168), in Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. November 19451. Oktober 1946. Band XXV, Amtlicher Text – Deutsche Ausgabe, Urkunden und anderes Beweismaterial. Nürnberg 1947. Fotomechanischer Nachdruck: München, Delphin Verlag, 1989. Dokument 016-PS, S. 55–71.