Kurzbeschreibung

Theodor Gottlieb von Hippel (1741–1796) war ein früher Verfechter der politischen Gleichberechtigung der Frau. In seinen Schriften Über die Ehe (1774) und Über die bürgerliche Verbesserung der Frau (1792) dachte er über die „natürlichen“ Eigenschaften der Frau nach und versuchte zu verstehen, wie Ehe und Mutterschaft den Charakter der Frauen beeinflussen. In diesem Abschnitt befasst sich von Hippel mit den Ursprüngen und Auswirkungen der sexuellen Differenz auf die menschliche Gesellschaft – ein Thema mit brisantem Potenzial, da die deutschen Staaten zu dieser Zeit mit den politischen Auswirkungen von Republikanismus und Demokratie rangen. Die Frage, wer politische und bürgerliche Rechte hatte – und auf welcher Grundlage –, war ein zentrales Thema, mit dem sich die Reformer des 18. Jahrhunderts auseinandersetzen mussten. Wie dieses Thema auf religiöse Minderheiten angewandt wurde, kann man in Christian von Dohms Aufsatz „Über die Verbesserung des bürgerlichen Standes der Juden“ nachlesen, der zwei Jahre zuvor, 1781, veröffentlicht wurde.

Theodor Gottlieb von Hippel, Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber (1792)

Quelle

II. Giebt es ausser dem Unterschiede des Geschlechtes noch andere zwischen Mann und Weib?

[]

Die Natur scheint bei Bildung der beiden Menschengeschlechter nicht beabsichtiget zu haben, weder einen merklichen Unterschied unter ihnen festzustellen, noch eins auf Kosten des andern zu begünstigen — Der Geschlechtsunterschied kann nicht zur Antwort dienen, wenn die Frage ist: ob das männliche Geschlecht mit wesentlichen körperlichen und geistigen Vorzügen vor dem weiblichen ausgestattet worden sei? Andere Unterschiede, als die welche auf die Geschlechtsbestimmung gehen, zu entdecken, hat dem anatomischen Messer bis jetzt noch nicht gelingen wollen; und doch behauptet dies Instrument bei der goldnen Regel: Erkenne dich selbst, einen unleugbaren Einfluß; und überhaupt hat das brave Eisen dem menschlichen Geschlechte weit mehr Dienste geleistet, als das prahlerische Gold — Wer zuerst den Magneten die Eisenbraut nannte, bewies für Magnet und Eisen eine Achtung, die beiden gebührt. Was hätte die Natur veranlassen können, die Eine Hälfte ihres höchsten Meisterstücks zu beglücken und zu ehren, die andere dagegen zu verkümmern und zu vernachlässigen, und zwar gerade in umgekehrtem Verhältnisse? Bei Erreichung jenes großen Naturzwecks, wo Menschen das göttliche Ebenbild des Schöpfers darstellen, hat das weibliche Geschlecht einen ungleich wesentlicheren Antheil als das männliche, und zwar sowohl in Hinsicht der Substanz als der Form. Dieser Absicht recht weise vorzuarbeiten, sollte die Natur die Weiber haben schwächer bilden oder unvollendet lassen wollen? „Nicht eben schwächer,“ sagte ein Weiberfeind, als er diese Stelle im Manuskripte las, „aber weniger gäng und gebe. Mögen Weiber Stahl seyn, die Männer Eisen — “. Nicht also; und warum ein Vergleich auf Schrauben, da das schnurgerade Recht auf der Weiberseite ist! Wir, glaubt man, wären Gottlob! völlig ausgeschaffen; und nun zerbrach der Meister die Form von Thon, und das andere Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den Kauf, eher hingeworfen als zu Stande gebracht, angefangen und nicht vollendet — ! Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen? Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertreterin schwach gelassen haben, um nicht nur schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes, sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu bringen? Doch scheint es so; und freilich, wenn Erfahrung spricht, muß Vernünftelei schweigen, knieen und anbeten — Der einzige Winkelzug, der ihr übrig bleibt — Erfahrung! und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt, besitze weniger körperliche Kräfte, und sey mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu der Schlußfolge zu bequemen: dies wären Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht entbunden werden konnten? Alles ist gut, was nicht anders seyn kann, und im Muß liegt eine Schatzkammer von Beruhigungsgründen, vermittelst deren man bei ein wenig Philosophie das: ich Muß, mit dem: ich Will, so auszusöhnen weiß, daß hier jeder Fluch sich in Segen, und die arge böse Welt sich in die beste verwandelt. Friede mit der Natur und mit dem schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen! Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge? Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und wenn wir die Operation an uns vollziehen zu lassen völlig entschlossen sind, wenden wir doch in der Stunde der Anfechtung das Auge weg — Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die Hand; und nicht nur das Herz des Menschen, sondern auch seine Vernunft und seine Sinne sind trotzig und verzagt: Wer kann's ergründen? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott, bald weniger als ein Thier zu seyn — Nackt und bloß kommt er zur Welt, und wenn andere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, können Se. Majestät der Mensch sich nicht entbrechen, das königliche Recht an Thieren auszuüben, um sich zu ernähren und zu bekleiden — Diese Finanzregierung wird oft so sehr mit dem Stabe Wehe! geführt, daß die Thiere bei der Natur die bittersten Klagen gegen ihre Allerdurchlauchtigsten Beherrscher führen könnten — und auch ohne Zweifel führen, wenn anders der Apostel Paulus recht beobachtet hat. Denn in der That die Natur hält ein schreckliches heimliches Gericht, das schrecklichste, das gedacht werden kann! Noth lehrt beten, bitten und nehmen; allein sie ist auch eine weise Lebrerin der Mäßigkeit — und wer diese ihre Stimme verkennt, in dem ist nicht die Liebe des Allvaters, dessen Kind Alles ist, was Leben und Athem hat. Nichts mehr als weinen kann der Mensch ohne Lehrmeister, zum Zeichen, daß er bei weitem nicht das höchste Loos zog; — denn da er sich nicht zu berechnen versteht, so ist der Gewinn oft schädlicher als eine Niete. Lieber! dergleichen Klagen sind durch das Machtwort: Vernunft, überwunden. Ohne Schwäche hört der Mensch auf, Mensch zu seyn — und wer es in diesem Erdenleben auf etwas Höheres anlegt, begiebt sich in Gefahr, weniger zu werden und den Zweck des Schöpfers zu verrücken. Kennen wir ein edleres Geschöpf außer ihm, in welchem die Kraft liegt, sich Gott und eine reine Tugend zu denken? — und diesen Vorzug hat auch der Verworfenste nicht aufgegeben — Einen Augenblick, nicht aber immer, kann der Mensch auf das Ebenbild Gottes Verzicht thun — Ist die Vernunft nicht mehr als Alles? und verdient sie diesen Namen, wenn sie nicht Begierden einschränken kann? Kann man nicht das Thier am Menschen fast vergöttlichen und seine Leidenschaften, wie die Meereswoge, bedrohen — ? Wo sie ist, da wohnt Menschheit, und bei den Strahlen ihrer Gottheit diese Würde im andern Geschlechte verkennen wollen, heißt: keine Regel übrig lassen, seinen eigenen Werth zu bestimmen. Nicht steinerne Gesetztafeln würde man zerbrechen, sondern am göttlichen Geiste, der in uns ist, sich versündigen — — Kann etwas Sache Gottes seyn, was der Vernunft widerspricht? oder will Gott seine Sache je durch solche Mittel geführt wissen? Durch die Vernunft, den Widerhall seines Mundes, ist Er nicht fern von einem Jeglichen, der mittelst ihrer Ihm ähnlich ward und in Ihm lebet, webet und ist. — — Mein Feldzeichen ist keine nichtswürdige Präconisirung, sondern Wahrheit und Gerechtigkeit. Ist das weibliche Geschlecht in der Regel wirklich kleiner, als das männliche? ist nicht die Größe überhaupt etwas sehr Relatives, welches in Klima, Nahrungsmitteln und andern uns unbekannten Ursachen wesentlichere Bestimmungsgründe findet, als in dem Geschlechtsunterschiede? Jenseits der Wendecirkel und unter der Linie ist die Menschenart weit kleiner, als innerhalb derselben. Über den zwanzigsten und sechzigsten Grad der Breite hinaus würden unsere Werbehäuser ungefähr so viel Glück machen, wie ein Besuch der Boucaniers auf Tierra del Fuego in den Höhlen der Pescherähs. Reisende behaupten, daß Männer und Weiber dort gleichen Strich halten, und daß, wenn ihnen nicht der Unterschied der Kleidung und etwa der Bart aushülfen, die beiden Geschlechter von einander nicht unterschieden werden könnten. Oder sollten diese Klimate hier etwa der Entwickelung des weiblichen Körpers günstiger seyn? Mit nichten; ihr frühes Dahinwelken widerspricht dieser Muthmaßung: schon das dreißigste Jahr bedeckt sie mit Runzeln. Auch in gemäßigtern Himmelsstrichen giebt es Verschiedenheiten in Rücksicht der Größe, und unter ihnen Racen, die sich von den übrigen auszeichnen, so wie die Bewohner der Marschländer in der Regel größer sind, als die Bergbewohner, als ob die Natur diesen Menschen den Berg mit in Anschlag gebracht hätte — und am Ende, was thut die Größe?

Aber die Schwächlichkeit gegen den nervigen, eckigen, männlichen Körperbau gehalten! Freilich würde sie mehr beweisen; doch fürcht ich, die Erfahrung sagt auch hier weniger, als wir sie sagen lassen — Ehe wir die Fehde beginnen, ist die Musterung der Heere nothwendig. Verabschieden wir unser elegantes, luftiges Völkchen, läßt das andere Geschlecht seine Damen der höheren Klassen sammt ihren Zofen zu den lieben Ihrigen heimkehren — was gilt die Wette? Selbst wenn unsere eleganten Damen mit unsern eleganten jungen Herren sich in Fehde einließen — auf welcher Seite wäre Hoffnung zu gewinnen? — Bei Völkern, die auf der ersten Stufe der Cultur stehen, ist das Schicksal des weiblichen Geschlechtes hart: bei Jägernationen, denen Hausthiere unbekaņnt sind, ist das Weib das lastbare Thier, welches den Mann zur Jagd begleitet und das erbeutete Wild nach der Hütte trägt; bei den Hirten- und Ackervölkern ist ihr Schicksal, wo möglich, noch schwerer: sie bauen das Feld, treiben Fabriken und Manufakturarbeiten, indem sie das, was ihnen der Acker und die Heerden [sic] zur Nahrung und Bekleidung darbieten, zum Gebrauch bereiten oder veredlen, und auch noch das (freilich sehr einfache) Hauswesen besorgen, während der Ehrenmann sich dem Müßiggange überläßt — Auch unter Nationen, wo die Cultur schon Fortschritte macht, ist, bei der arbeitenden Klasse des Volkes, der Antheil des andern Geschlechtes an den Geschäften gewiß nicht von der Art, daß davon auf eine größere Schwächlichkeit der Weiber geschlossen werden könnte. Die Arbeiten bei Bestellung des Bodens und bei der Erndte — sind sie nicht unter beide Geschlechter so ziemlich gleich vertheilt? Es wird schwer fallen, zu bestimmen, welcher Theil hier mehr übersehen werde. Bei der Musterung aller Gewerbe, die den Kunstfleiß und die Hände der Menschen beschäftigen — ist nicht der Antheil der Weiber mit einem beträchtlicheren Aufwande Kräften verknüpft? Der Schnitter kehret heim zu seiner Hütte mit frohem Herzen, um nach ermüdender Arbeit der Ruhe zu pflegen, wenn, auch bei der einfachsten ländlichen Haushaltung, noch vielfache Geschäfte für das Weib übrig bleiben, das im Schweiße seines Angesichts die Garben band, wozu nicht minder Anstrengung von Kräften erfordert wird. Jene von Gesundheit strotzende, mit der ächten Sommerfarbe geschminkte Dirne ist eine lebendige Widerlegung dieser mißgünstigen Behauptung, und sie wird es mit Jedem aufnehmen, der es wagen will, die Kräfte ihrer Muskeln in Versuchung zu führen. Weiberkrankheiten sind nur die Geißel der Weiberklasse, die den Ehrennamen Weiber, so wie die in ihrem Kammerdienste sich befindenden Treugehorsamsten den Ehrennamen Männer, nur von wegen des Staats und zur Parade führen. Darf und soll die Natur Übel verantworten, welche Lebensart, Sitten und Conventionen, deren Name Legion ist, über sie gebracht haben? Gefährten unserer Thorheiten, Spießgesellen unserer Üppigkeit gehören nicht auf das Conto der Natur, die den Menschen so einfach schuf, und allenthalben, wo er seine Hütte aufschlug, für Wohnung, Nahrung und Kleidung reichlich und täglich sorgte. Hat sie je gewollt, daß er Gewürze aus Indien ziehen sollte, um sein Blut zu vergiften? oder angreifende Leckerbissen, seine Nerven zu schwächen? Setzte sie dem Indier Eis, und dem Bewohner der Eiszone Wein vor? gab sie nicht vielmehr einem Jeden das ihm angemessene und beschiedene Theil ? Und wie, grundgütige Natur! der ausgeartete Haufe deiner Kinder klaget dich wegen Krankheiten an, wozu er die Anlässe, trotz allen Gefahren und Hindernissen, aus Osten und Süden mit rastloser Begierde zusammen brachte, während das Häuflein deiner genügsamen Kinder, den mütterlichen Vorschriften folgsamer, mitten unter diesen unschlachtigen ausgearteten Menschen vor Dir wandelt und fromm ist, ohne von hysterischen Plagen und dem zahllosen Heere von Krämpfen zu wissen, gegen die weder die Materia medica, noch vielleicht die ganze weite und breite Natur, Mittel im Vermögen hat? Nennt die Natur nicht ungerecht, wenn ihr unnatürliche Wege wandelt! Nur gegen natürliche Krankheiten scheint die Natur Mittel zu besitzen; gegen Übel, welche Folgen unserer unnatürlichen Cultur sind, hat sie weder Kraut noch Pflaster, und ihr einziges Mittel ist nur: thut Buße und glaubet an das Natur - Evangelium! O, daß ihr Buße thätet und glaubtet! — Ohne daß wir werden wie die Kinder und in dies Philanthropin heimkommen, dem wir den Rücken kehrten — sind wir verrathene und verkaufte Menschen, zu denen bisweilen die wohlmeinende Stimme erschallt: Adam wo bist du? die sich indeß, so gut sie können, vor sich selbst zu verstekken suchen — Am fünften Akt scheitern besonders die meisten Frauenzimmer, so wie ein großer Theil der Theaterdichter — Die Liebe, das Glück des Lebens, wird ihr Unglück; ihr Herz war gebildet, die Tugend zu lieben, und nicht das Schicksal, sondern ihre Nachlässigkeit, macht es zur Verbrecherin — Die arbeitende Klasse kennt keine besonderen Weiberkrankheiten. Schwangerschaften und Geburten werden nur durch Nebenumstände, die ihren Grund in Lebensart, Sitten und Kleidung haben, erschwert, und sind so wenig Krankheiten, daß Ärzte sie geradesweges als Heilungsmittel vorschreiben könnten — weilen wirklich vorschreiben. Bei einigen so genannten Wilden hält nicht das Weib, sondern der Mann, die Entbindungsferien. Kaum ist es seiner Bürde entledigt; so badet es sie in dem nächsten Flusse, reicht dem neuen Ankömmling die Brust, ersparet sich das Milchfieber und das Ammenkreuz, und besorgt die Hausgeschäfte nach wie vor, während der Mann, auf seinem Lager hingestreckt, sich pflegen läßt, und von seinen Nachbarn Wochenvisiten und Glückwünsche annimmt, weil er — man denke der Mühe! durch sein Weib ein Kind geboren hat. Da es Helden giebt, deren die Geschichte mit Lob und Preis gedenkt, weil sie in höchsten Gnaden geruheten, sich Schlachten gewinnen und Siege erkämpfen zu lassen, ohne daß sie sich dem kleinsten Gefecht aussetzten und zum Bette der Ehren die mindeste Neigung fühlten, indem sie, es hoch kam, weit über die Schußweite hinaus sehr behaglich zusahen, wie viele Arme und Beine ein Paar Lorbeerreiser kosteten: so mag es mit dem Wochenbette dieser Männer so genau nicht genommen werden. Ihr, die ihr der Schwangerschaften und Geburten halben die Weiber für schwächer haltet als Euch; sagt: wie hätte die Natur ihr größtes Werk, die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes, absichtlich mit solchen Übeln in Verbindung bringen; wie hätte sie den Becher des köstlichsten Nektars mit Wermuth vermischen; wie einer Handlung, über welche sie die besten ihrer Segnungen aussprach, mit so schrecklichem Fluche begleiten und auf unsere Seite lauter Wonne, auf die andere dagegen lauter Trübsal legen sollen! Allerdings sind Schwangerschaften, Entbindungen, Stillung des Säuglings mit einem Aufwande von Kräften verbunden; allein, in dem weiblichen Körper, wenn er unverdorben ist, findet sich Stoff genug, diesen Aufwand nicht zu bestreiten, sondern auch dessen Abgang ohne Zeitverlust zu ersetzen. Der Einwand, den man so vielen Modefrauen ableitet, gilt nicht; denn diese erscheinen bereits so kümmerlich an Lebensstoff und Kräften, daß jede Schwangerschaft ihr luftiges Gebäude bis auf den Grund erschüttert, und jede Geburt es zu zerstören droht — Planreiche Erfinder, die ihr Rechenmaschinen erdachtet, einem Gliedermanne Schach spielen lehrtet, Luftreisen unternahmt, und durch Desorganisation Leute weiter bringt, als wenn sie in gradum doctoris utriusque medicinac promovirt hätten; ihr denen die Geister so zu Gebote stehen, wie dem Hauptmann von Kapernaum seine Knechte: — spannt eure Saiten tiefer, und laßt euch zu einer Kleinigkeit herab; erfindet eine Kunst, vermittelst deren unsere galanten Damen von der Last Kinder, zu gebären, befreiet werden können. Laßt Söhne und Töchter wie Äpfel und Birnen wachsen; macht, daß sie wie Kohl verpflanzet werden — Sollten auch durch diese Erfindung in den ersten Jahren (kein Meister fällt vom Himmel) die politischen Volkszähler ein Minus wahrnehmen; so würde doch selbst in diesen Jahren der magern Kühe der Metallwerth des menschlichen Geschlechtes Alles ins Reine bringen, und Summa summarum wäre um so mehr ein unläugbares Plus, da der Staat, anstatt aus Scheidemünze, aus Gliedern von ächtem Schroot und Korn bestehen würde! — Was gilt ein Persisches Heer nach Parasangen gemessen, gegen einen Macedonischen Phalanx! Doch nein! ziehet eure Schuhe aus, diese Stätte ist heilig. Den rechtmäßigsten, den allerheiligsten in der Vernunft gegründeten Ansprüchen der Menschen auf die Mittheilung der Wahrheit soll hier nicht durch Spott zu nahe getreten werden, der, so wie die üble Nachrede, immer etwas zurückläßt — Nur Menschenliebe nähere sich diesem feurigen Busche! Jene Kraft der Trägheit, die im Körper ihr Wesen oder Unwesen treiben soll, um ihn beständig in seinem gegenwärtigen Zustande zu erhalten, der sich der Ruhe widersetzt, wenn der Körper in Bewegung, und der Bewegung, wenn er in Ruhe ist, hat nicht die Ehre mir zu gefallen. Eine Kraft, die nur widersteht und nicht von selbst zu wirken vermag, ist eine Kraft, mit der sich wenigstens nicht prahlen läßt. Der edelste Staat muß sich zuweilen zum Angriffskriege verstehen, und es giebt Straf- und Wiederzueignungskriege, wodurch wir unser Recht und das was man uns schuldig ist, einfordern, und den zur Verantwortung ziehen, der sich an uns vergriff — Der ist weder klein noch groß, der beides nur in dem Grade ist und äußern kann, als man sich ihm widersetzt — Laßt beide Geschlechter zu ihrer Lauterkeit und Wahrheit heimkehren, und wir werden je länger je mehr finden, daß Mann und Weib auch in diesem Sinn Ein Leib sind — aber auch Eine Seele? Noch hat es den Psychologen nicht gelingen wollen, in dem Gebiete der Geister weit genug vorzudringen, um bestimmen zu können, ob es unter ihnen einen wesentlichen Unterschied gebe; wenigstens gab es keinen Geister - Linné, der sie klassificirte. Rorarius mag es verantworten, wenn er bei den Thieren mehr Vernunft findet, als bei Menschen, Helvetius, wenn er die Seelen, denen ein Körper mit einem Huf zu Theil ward, mit denen, die einen Körper mit Händen erhielten, in Eine Klasse setzt, und Beide mögen es mit dem Cartesius ausmachen, daß sie seine Maschinenwelt zerstören. []

Theodor Gottlieb von Hippel, Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. 1. Auflage. Berlin, 1792, S. 33–50.

Online verfügbar unter: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792